Thursday, August 17, 2006

Gottfried Jäger: Bildsystem Fotografie

Im Handbuch "Bildwissenschaften: Disziplinen, Themen, Methoden" von Klaus Sachs-Hombach (2005; Frankfurt a. M.: Suhrkamp) findet sich auch ein Artikel über das Bildsystem Fotografie.
Der Autor geht davon aus, dass sich auf der Grundlage einer einheitlichen TechniK (das Auzeichnen dauerhafter Spuren von elektromagnetischen Strahlen, vorwiegend Licht, auf einem strahlungsempfindlichen Material) eine generatives System differenzierte. Teilsysteme unterscheiden sich dabei hinsichtlich a) Bildmotiv, b) Bildstrategie, c) Bildart, d) Kriterien, e) Funktionsbasen f) Bildmethoden/Bildstil und g) Fotomethoden/Fotostil. Ihr gemeinsamerKern sei aber die "materieller Kern" (sic!) der Technik.
Jäger unterscheidet darauf hin vier evolutionäre Motivphasen des Bildsystems Fotografie, die sich jedoch nicht ablösen, sondern in einer Spannung zueinander stehen.
1. Aneignung

  • Bildmotiv ist die Aneignung der äußeren Wirklichkeit.
  • Bildstrategie ist dabei das Abbilden des Sichtbaren
  • Bildart ist das Abbild bzw. die Ikone
  • Fotoart ist eine berichtende Fotografie
  • relevantes Kriterium ist die Abbildungstreue im Objektbezug
  • Funktionsbasis ist die Ähnlichkeit zwischen Bildzeichen und Bildgegenstand
  • Bildstile sind Sachlichkeit, Gegenständlichkeit und Realismus
  • Fotomethoden sind die Realistische Fotografie, die Sach- und Dokumentarfotografie sowie die Fotoreportage

Im Zentrum steht die Natur als Objekt, die mittels der Selbstaufzeichnung ein getreues Abbild der äußeren Welt herstellen soll. Das Licht ist dabei der aigentliche Agent der Aufzeichnung. Die ersten Reproduktionen von Daguerre und Nicéphore Nièpce waren genau diesem Anspruch verhaftet. Diese Fotos sind Aufnahmen, sie halten die Welt im Detail fest.

So gleich geht's weiter, die Arbeit ruft...

2. Vermittlung

  • Bildmotiv ist die Vermittlung innerer Bilder
  • Bildstrategie ist die Darstellung des Nichtsichtbaren
  • Bildart ist das Sinnbild bzw. das Symbol
  • Fotoart ist eine darstellende Fotografie
  • das relevante Kriterium bildet die Äquivalenz mit dem Subjekt
  • Funktionsbasis ist die Entsprechung zwischen Bildzeichen und Bildbedeutung
  • Bildmethoden/Bildstile sind Verfremdung, Abstraktion und Symbolismus
  • Fotomethoden und Fotostile sind Gestaltende Fotografie, Subjektive Fotografie, Visualistische Fotografie und jegliche Fotoinszenierung

Man wird sich also jetzt bewußt, dass die Fotgrafien inszeniert sind. Portraitfotos und Fotomontagen kommen auf. Wann immer man fragt, was das Bild bedeuten soll, was es enthüllt etc., bewegt man sich auf der Ebene der Vermittlung bzw. kann on Sinnbildern sprechen. Aber während Passfotos etc. ein äußeres Wahrheitsmoment zukommt, beinhalten die Bilder eine innere Wahrheit. Benjamin steht genau auf dieser Schwelle. er erkennt die Dialektik im Stillstand in den Bildern und erkennt die Suhe nach naturgetreuer Fotografie als blaue Blume des Apparats. Seine Forderung, dass durch die Fotografie neue Verhältnisse geschafft werden sollen, wird im dritten Typus von Jäger verfolgt.

3. Schaffung

  • Bildmotiv ist die Schaffung neuer Verhältnisse
  • Bildstrategie ist die Erzeugung von Sichtbarkeit
  • Bildart ist das Strukturbild bzw. Symptome und Indizes
  • Fotoart ist die Erzeugende Fotografie
  • das relevante Kriterium ist die Autonomie im Bildbezug
  • Funktionsbasis ist der Zusammenhang von Bildzeichen und Bildursache
  • Bildmethoden/Bildstile sind Komposition, Konstruktion und Konkretismus
  • Fotomethoden/Fotostile sind die Konkrete Fotografie, Experimentalfotografie, generative Fotografie und Fotokomposition

In dieser Phase werden Fototechniken bewußt angewandt, um andere Sehgewohnheiten zu provozieren oder bewußt Probleme mit den Bildern aufzuwerfen. Damit gewinnt die Fotografie eine utopische, politisch-soziale Dimension. Sie stellt Fragen an die eigenen Techniken. In der Literatur wäre dies wohl der Unterscheid zwischen Kafka und Brecht.

4. Reflexion

  • Bildmotiv ist die Reflexion medialer Realität
  • Bildstrategie ist die Überprüfung von Sichtweisen
  • Bildart ist das Reflexbild (Indexe)
  • Fotoart ist die Analytische Fotografie
  • das relevante Kriterium ist die Selbstreferenz an das eigene Medium
  • Funktionsbasis ist die Identität zwischen Bildzeichen und Bildprozess
  • Bildmethoden/Bildstile sind Analyse, Verifikation und Konzeptualismus
  • Fotomethoden/Fotostile sind Konzeptfotografie, Demonstrative Fotografie, Medienreflexion und Fotorecycling

Im vierten Stadium befinden wir uns also auf der modernen Systemebene. Die Fotografie beobachtet sich selbst. Über den Produktionsprozess hinaus wird nun das Foto selbst zum Objekt der Konstruktion. Dekonstruktive prozesse legen den Konstruktionscharakter der Bilder selbst frei. Während in der dritten Phase das Konstruktionsmoment zum Mittel wird, um bestimmte Sinnbezüge herzustellen, wird nun dieses Verhältnis selbst reflektiert.

Diese vier Teilsysteme des Bildsystems Fotografie sind aber doch zu rationalistisch gedacht. Jäger verbindet diese Phasen stets mit einem Datum und mit exemplarischen Kunstwerken. Obwohl gerade die letzte Phase als soziologische beschrieben werden könnte, weil sie Konstruktionsform und Konstruktionsprozess gelichermaßen berücksichtigt, macht eine solche Typologie, vor allem wenn sie evolutionär präsentiert wird, sich eines einseitigen Rationalismus verdächtig. Die Fotografie wird alle Tage schlauer.
Hier wäre wieder einmal auf die Fortschrittskritik von Walter Benjamin zu verweisen, der in der letzten Phase wohl einen konstruktivierten Naturalismus (konstruktiviert ist hier wie apostrophiert zu lesen) gesehen hätte. Denn die systemtheoretische Perspektive, die sich auf eine operative Objektivität (sie behauptet ja, in ihrer Perspektivierung idelogiefrei zu sein), möchte nun nach Leitdifferenzen (oder nach relevanten Kriterien beobachten).
Nichtsdestotrotz ein brauchbares Schema, um in einem ersten Zugang Fotografien sortieren und entsprechend analysieren zu können.

Friday, July 28, 2006

Sendepausende

Habe gestern beim suchen nach Luhmanns Matrix auf den äußerst interessanten Hypertextband zu Medien von Sybille Krämer gestoßen. Vor allem der Aufsatz von Thomas Khurana zur Erarbeitung einer Medientheorie im Anschluss an Derrida und Luhmann könnte eine schöne Schnittstelle unserer Perspektiven darstellen.

Tuesday, June 20, 2006

Wednesday, June 07, 2006

God or Evolution? Yes, please!

Zwar ist mir die Ges. der Ges. noch nicht über den Weg gelaufen, aber ich versucghe dennoch eine weitere Volte.

ad Gott & Evolution: Ich halte den Gebrauch der Evolution für ein säkularisiertes Substitut für die Funktion von Gott selbst. Immer noch klingt im Begriff der Evolution eine Ontogenese jenseits eines Verständnisses einer historischen Kontingenz an: "Evolution" versucht historische Kontingenz ja seiner Komplexität zu berauben (sei es durch "Selektion" oder "Drift" oder "survival of the fittest" als Funktion), die ich analytisch gesehen für brauchbarer halte, als es auf einen "Nenner" zu bringen. Begriffe wie "Differenzierung" oder "Komplexitätssteigerung" sind einfach "leerer", können also unterschiedlicher gefüllt werden (je nach Gebrauch). Naja anders ausgedrückt: Wenn man bei einer Antwort nur zwischen Gott und Evolution (oder Intelligent Design oder Ausserirdische oder sonstige "letzte Prinzipien") wählen kann, ist vielleicht die Frage falsch gestellt, dann zielt man auf eine Art theologisch-teleologisches Erkenntnis/Erklärungsmodell.

Zu Deinen/Luhmanns drei Punkten:

1. Komplexitätssteigerung: okay gibt es, selektiert aber die Anschlusskommunikationen oder bringt andere Erwartungshaltungen hervor. Die Frage bleibt schließlich, ob sich die K-Steigerung auf die strukturelle Zusammensetzung oder auf die Anschlußmöglichkeiten bezieht (Es wäre ja auch denkabr, das z.B. Hybridgemenge (z.B. Gummi und Porzellan) hochkomplex aufgebaut sind und auch noch eine höhere Verwertbarkeit (also Anschlüsse) als die anderen besitzen.

2. Die Frage zwei lässt sich nicht beantworten, da es zwar strukturelle Koppelungen gibt, aber die beeinflussen ja die anderen Erwartungshaltungen nicht direkt. Der Staat z.B. mag seine Aufgaben nur noch in der Grundsicherung des gesellschaftlichen Lebens sehen und diese Selektion als Evolution betrachten (heißt das, dass ein liberaler Staat eine anderes System des Wohlfahrtsstaates darstellt? Oder stellt diese eine Umorganisation des politischen Systems dar?) Gleichzeitig mag die Bevölkerung noch immer dieselben Forderungen (Erwartungshaltungen) an den Staat erheben (egal ob es eine Umstrukturierung, eine Evolution oder eine Komplexitätssteigerung darstellt). Deswegen würde ich nicht davon ausgehen, dass eine Selektion der Anschlusskommunikationen auch zu einer Änderung der Erwartungshaltungen führen muss. Ich weiß tatsächlich nicht ob ich dieser Beobachtung zustimmen kann.
3. Fremdbestimmtheit oder Autoevolution: Da bleibe ich Dialektiker: Eigene Handlungen verobjektivieren sich im Austausch mit der Umwelt und wirken strukturierend zurück - damit sind sie nicht direkt deterministisch, aber dem System bleiben nicht genügend Freiheitsgrade, zu entscheiden, ob es damit umgeht oder nicht. Und die Systemstruktur schreibt anschließend vor, wie es damit umgeht, ansonsten werden die Kräfte so stark, dass es systemgefährdend werden könnte (Soziale Tatsachen verfügen über Zwangscharakter!). Nein, den Grundsatz der von außen irritierten Selbstentwicklung sehe ich nicht. Ich denke, dass sich Gesellschaftsgenese sowohl heteropoietisch als auch autopoietisch vollzieht.

ad "Gesellschaft in einen anderen Zustand sprengen": In der Tradition von Marx wird Vergesellschaftung als nicht notwendig begriffen, erst recht nicht für die Zukunft. Was die Sytemtheorie mit der KT verbindet ist die Einsicht in eine historische Kontingenz, was sie trennt ist die Annahme/Ablehnung einer futurischen Kontingenz. Auf die Gesellschaft muß für Benjamin eben nicht Gesellschaft folgen, der ja als ein den Einzelnen intransparentes Gefüge verstanden wird (insofern wäre Systemtheorie eine Analyse des Istzustands, aber nicht des Sollzustands), der eben gesprengt werden soll. Dass Systeme anderen und sich selber intransparent sind, macht vielleicht deren Systemcharakter aus, aber vielleicht sind Systeme nicht alles, was soziale Organisation uns bietet. Ich hoffe das zumindestens...

Tuesday, June 06, 2006

Evolution - goes on

Lieber Hr. Alberth, hier der nächste Gang Ihrer Leib- und Magen-, oder man könnte auch sagen Theorie- und Bewusstseinsspeise: Evolution (wahlweise mit oder ohne Hummer).

Eigentlich bin ich ob Ihrer scharfen Worte, gegen den analytisch wohl nur schwer ersetzbaren Begriff der Evolution, etwas verwundert. Lehnen Sie es doch ab, in der Vergangenheit Evolution beobachten zu können (Wenn die Frage erlaubt ist, gehen Sie in Ihrer soziologischen Theorie davon aus, dass Sie und Ihre Theorie von Gott geschaffen wurde? Mir fehlt dann dafür gerade die Textstelle, in der es heißt: Und Gott schuf die Kritische Theorie und sah... naja, ich will nicht sagen, nach einer Weiterentwicklung um... aber so in die Richtung...), so fordern Sie für die Zukunft, die sie noch gar nicht kennen können (es sei denn Sie sind Prophet), eine Radikal(R)Evolution.

Lars schrieb: "es geht nicht um die historische Genese des Systems, sondern um die "Heraussprengung" des "Jetzt" aus dem historischen Kontinuum."

Einen Zerfall des Systems Gesellschaft, soll anscheinend ein neues System der Gesellschaft folgen. Eins in dem alle Teile auf einmal ausgetauscht worden sind, dass sich trotzdem stabilisieren kann und ungleich viel komplexer sein soll, als es die (hoch)moderne Ges. ist. Und die Strukturen die das erwartbar machen, liegen in der destruktiven Kritik.

....-----

Man kann Evolution als schon immer stattfindend beobachten, aber das ist nicht die Kernaussage. Ich muss mich schief ausgedrückt haben, damit Sie den Text so lesen mussten. Pardon!

Vielleicht sollten wir Punkt für Punkt gehen (ich freue mich sehr darauf, mit Ihnen parallel am Luhmann-Text zu arbeiten... keine Sorge, er ist noch da... der Hummer liest nur gerade darin...)

(1) Mit Evolution meine ich immer noch: Das Erreichen einer neuen Stufe von Komplexität. Ganz einfach: Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) sind für sich Phänomene mit speziellen Eigenschaften. Unter ganz bestimmten Umständen aber, können sie sich zu Wasser (H²O) verbinden und entwickeln so völlig neue Fähigkeiten, aber verlieren auch welche, die sie als einzelne Phänomene noch besaßen.

sehen Sie das auch so?

(2) Wenn wir es dann mit einem neuen "System" zu tun haben, dass gänzlich anders ist als die aus denen es sich entwickelt hat, ohne die es sich aber nicht hätte entwickeln können, können wir dann nicht von diesem System Dinge erwarten mit einer Wahrscheinlichkeit, die wir so nur erwarten können, weil es dieses neue Phänom gibt?

sehen Sie das auch so?

(3) Können wir gemeinsam beobachten, dass sich Systeme nur selbst weiterentwickeln können, dass dabei aber die Umweltbedingungen an die es sich anpassen muss, durchaus Freiheitsgrade/Selbstbeschränkungen des Systems destruktiv beeinflussen kann? Ein Bsp. wäre für mich: Pinguin landet in der Sahara und muss sich um überleben zukönnen verändern. Er fängt an mit den Wahrnehmungen die er wahrnimmt (es ist viel zu heiß!) sich selbst zu irritieren und tauscht nach und nach alte, nicht mehr brauchbare Elemente gegen neue, besser angepasste Elemente aus. Am Anfang mögen diese Mini-Evolutionen (er schläft ja nicht morgens als Old-School Pinguin ein und wacht abends als New-School-Pinguin auf, sondern er braucht Zeit) dem Beobachter (das schließt den Pinguin, wenn er denn die kognitive Kapazität dafür besitzt, ein) nicht leicht auffallen, aber nach längerer Zeit sind größere Veränderungen leichter zu beobachten. Dabei ist er zwar von der Hitze in seiner Evolution beeinflusst, aber nicht determiniert worden.

Sehen Sie das auch so?

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Ich belass es dabei für diesmal, finde aber Ihre Beschreibung von moderner und unmoderner ST zugleich, prima und freue mich auf Ihren nächsten Post.

Tausend Küsse, Ihr Sie herzender ...nein, nicht Talcott, sondern ... ja, wenn ich mir nicht selbst so intranspanrent wäre... aber es bleibt dabei: Tausend Küsse!

Hummersuppe - Ursuppe - Uhrsuppe...

Ob Hummer essen moralisch sei oder nicht, sei dahin gestellt (obwohl ich Deiner Aufforderung, die Finger von der Moral zu lassen, weil das moralisch sei, nicht teilen würde - ist mir etwas zu einfach, aber vielleicht ist das ja auch nur der Schnapps in meinen Pralinen - dann wird mir auch klar, warum Du sie suchen musst).

Sobald mir die Ges. der Ges. über den Weg läuft (Lieber Daniel, bist Du sicher dass Dir der Hummer abhanden gekommen ist oder eher ein ihnen geläufiges - vielleicht gar: läufiges - Buch?) werde ich mich mit Dank in das dritte Kapitel versenken.

Für mich klingt das mit der Evolution bei Dir eher nach Axomatik "Evolution findet immer im System statt...".

----- Kurzschluss mit der Moral: Der diktatorische Charakter von Axiomen: nicht hinterfragen wollen, sondern als weder beweisbar noch widerlegbar hinnehmen: Es soll gelten, dass..." -----

Das bringt mich in eine verzwickte Position: Meine Frage lautet doch, ob Evolution ein adequater Begriff zur Beschreibung von Systemdifferenzierung sei - und als Antwort bekomme ich: Evolution existiert immer schon. *Am Kopf kratz*

ad Schizophrenie 2: Naja, klar: Der Begriff der Evolution ist paradox...nur - korrigiere mich - stellte das System die Antwort auf das Paradox von Funktion und Form dar. Aber auf welches Paradox antwortet ein paradoxer Begriff.

ad Ursuppe/Uhrsuppe: Dass ein kontinuierlicher Zeitraum eine soziale Organisation sei, und dass sich dies auch heute noch anders organisieren lässt (gleichzeitig zur linearen Vorstellung einer voranschreitenden Geschichte gibt es ja zirkuläre Vorstellungen immerwiederkehrender Muster, z. B. Kalender) heißt ja, dass es keine systemspezifische Notwendigkeit gibt, eine Entwicklung oder Evolution als Leitparadigma sozialer Differenzierung anzusehen. Dass es also einen Urknall geben sollte (auch hier gibt es ja ein zyklisches Bild des Universums), hängt von unserer Organisation der Zeit per Uhr und Erzählung ab. Irgendwie erscheint mir die Systemtheorie gleichzeitig radikal modern und radikal unmodern zugleich:

Modern, weil sie die klassischen Erfahrungen der Moderne (Entwicklung, Differenzierung, Kontinuität, Rationalität, Forschrittsnarrativ, Komplexitätssteigerung etc.)
Unmodern, weil sie sich nicht verobjektivieren lässt, weil sie den Anspruch erhebt, alles aus einer Perspektive beschrieben und verobjektivieren zu können (auch wenn sie weiß, dass es unterschiedliche Beschreibungen gibt).

Paradox...aber daran anzuknüpfen, überlasse ich Dir.

Morgens beim Hummer

"Hallo Hummer! Wo kommst du eigentlich her? Intelligent Design? Drogeninduzierte Psychose?" (Repäsentativ ausgewählte Operation einer studentischen Frühstückskognition ...*lach* ... *hust* ... *spuck blut*...)

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Evolution, lieber Herr Alberth, wird bei Niklas Luhmann (ob der gut oder böse ist, setzt eine Frage der Moral voraus, die wohl, wenn gestellt, selbst schon eine moralische Frage ist... darum besser: Finger weg von der Moral) bspw. in der Ges. der Ges. behandelt, Kapitel 3.

Analytisch ist der Begriff nicht zu retten, dafür müsste er ja in einer Situation sein, in der man unterscheiden könnte, retten oder lieber untergehen lassen. Die Beobachtung, dass Systeme entstehen, mit einer eigenen, selbstreproduzierenden Operationsweise, die Unwahrscheinliches über Strukturbildung erwartbar machen, dann können wir entweder sagen, dass war schon immer da (Gab es Hummer schon immer? Gab es die Wissenschaft schon immer? (Schöpfung/Konstruktion)) oder aber, wir beobachten es so, dass wir bestimmte Phänomene für irgendwann entstanden halten, für entwickelt (das Bildungssystem setzt sich aus bestimmten Elementen zusammen (Kommunikationen), die aber erst im Bildungssystem die erwartbarkeit erlangen, die sie aufweisen. Bspw. Man beobachtet Papier und sein Herumreichen schon länger und auch in anderen Kontexten, aber auf einmal kann man mit eine gewissen Regelmäßigkeit erwarten, dass es Papiere mit dem Aufdruck "Zeugnisse" jeder Jahr im Sommer gibt. Und das mit dem was auf den Papieren steht (ich meine, da stehen ja bloß Zahlen und abstrakte Begriffe wie "Kunst" drauf) ganz bestimmte Anschlüsse wahrscheinlich werden, nämlich: Zulassung in die nächste Klasse oder nicht. Aber ob man eine Liebesbeziehung unterhalten kann oder nicht, hat damit zunächst mal aber auch gar nichts zu tun (was wären das für traurige Jugenden!)(Kontingenzbildung)).

Evolution findet immer im System statt, es gibt keine Entsprechungen für dass, was im System stattfindet, in der Umwelt. Die Umwelt ist unbeobachtbar - zu komplex. Wir beobachten auch nur Herrn Alberth und nicht alles-andere (wir waschen Teller ab beim Spülen und kratzen nicht Universum ab).

Ihr Schizophreniebegriff erinnert mich stark an Paradoxieprobleme, die in der Systemtheorie behandelt werden. In der Tat ist der Anfang unentscheidbar, denn er setzt bereits voraus, dass jemand nach dem Anfang fragt und ihn von etwas unterscheidet, was dann aber genauso zum Anfang dazugehört wie der Anfang selbst, es ist der unbeobachtbare Kontext, der immer mitschwebt, aber nicht beobachtet wird. Die Frage nach dem Anfang wird mittenmang gestellt und wenn sie in sich selbst wieder eintritt, kann sie sich nur entscheiden für "Anfang ist der Anfang" (Tautologie) oder "Anfang ist nicht der Anfang" (Paradoxie). Und sie würde ihre Beobachtung der Operation aushebeln, wenn sie nicht mit Hilfe von Selbst- und Fremdreferenz anfangen würde, die Operation zu entfalten und zu sagen: "Das gehört zum Anfang dazu.. und das gehört zum Anfang, als zu seinem Kontext/Umwelt/Milleu in dem er sich befindet dazu, ist aber insofern kein Teil von ihm. Vergessen wir aber nicht, dass der Anfang, wenn er sich selbst beobachtet (als eine Seite einer Unterscheidung) die dann beobachtete Differenz selbst differenziert hat und somit nur oszillationen prozessiert... und das kostet Zeit.

Letztlich ist das System für sich selbst intransparent und die Umwelt ist es für das System auch und deshalb fangen manche an zu behaupten, sie würden die Umwelt verstehen, dabei verstehen sie nur, dass sie weder sich, noch die Umwelt verstehen.

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"Oh nein, jetzt hat sich der Hummer von dannen gemacht. Egal, seine Umwelt, egal wo er ist, ist ja noch da. Dann ess ich halt die... *gar-nicht-lach*...*knurr magen*"

Schwester, die Doppelzange bitte...

die einfache greift leider nur in eine Richtung (Hummer sei dank!)

ad Schizophrenie: Ich meine damit durchaus keine Entwicklung oder Anpassung, sondern einfach den Zustand des Begriffs der "Evolution", der einen Drift (d.h. eine Bewegung) konnotiert oder gar denotiert, der aber nur als aktualisierter Bruch beobachtbar ist. Evolution scheint sich nicht entscheiden zu können, ob sie nun fließen oder brechen soll.
Liebster Adressat, bleibe ruhig noch einen Moment ein paar Zentimeter über dem Boden schweben, denn ich stimme im Rahmen systemtheoretischer Überlegungen auf einer phänomenologisch-analytischen Ebene zu (von der Seite kann es ja gar keine Einwände gegenüber die Theorie als System geben), halte aber den Begriff der Evolution aus eben diesen Überlegungen für nicht adequat weil unentscheidbar (="schizophren" im populärsprachlichen Gebrauch).
Da helfen die Überlegungen von Maturana und Varela ja nur begrenzt weiter (auch wenn sie konstatieren, dass sich die Wirkungen nur intern vollziehen)
Übrigens gäbe es dann eine weitere Fragestellung, die Dir vielleicht den Begriff retten könnte:
Ist Evolution vielleicht deshalb nur intern zu beobachten, nie aber jedoch extern? Ist Evolution gar das, was man als Beobachtung erster Ordnung eines spezifischen Subsystems nennen könnte? Gibt es also eine Ausdifferenzierung im System, dass seine Beobachtung nur auf die Veränderung des Systems abstellt, was zwar für das System zwar eine Beobachtung 2ter Ordnung wäre, für das Subsytem aber sicherlich 1ter Ordnung? Liegt vielleicht darin die Nichtkommunizierbarkeit des Drifts, weil er nur ex post als Differenz kommuniziert werden kann? Aber nein, dass würde ja den Status des "alles ist Kommunikation" aushebeln...
Alle Wege die ich beschreite, um dem Begriff der Evolution zu retten, gehen fehl.
Ach, Daniel hilf! Wo setzt sich der gute Niklas (nein, nicht der gute Talcott) mit dem Begriff auseinander? Vielleicht findet sich ja dort eine Lösung (bzw. eine Evolution)?

P.S.: Gibt es eigentlich einen Zustand der Scheinkomplexität? (Vielleicht als fürchterliches Aufblasen der Männchen auf der Balz?)

Monday, June 05, 2006

Schwester, die Zange bitte..

Wenn Sie mir so zustimmen lieber Herr Alberth, dann müssen wir ja gründlich aneinander vorbeigeschrieben haben *lach*...*hust*...*schweb davon*...
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Strukturelles Driften eines Systems ist nur möglich, wenn es dieses System bereits gibt. Heißt, da ist eine Grenze zwischen System und Umwelt und auf der Systemseite der Grenze weist die Organisationsform eine operationale Geschlossenheit auf:
"Ihre Identität ist durch ein Netz von dynamischen Prozessen gekennzeichnet, deren Wirkung das Netz nicht überschreiten." (Maturana/Varela, Baum der Erkenntnis, S.100)
Innerhalb dieses Systems gibt es spezifische Operationsformen die durch ganz bestimmte Letztelemente durchgeführt werden (z.B. Kommunikation in Sozialen System, Gedanken in Bewusstseinssystemen).
Mit jeder Operation, also mit jeder Selbsterhaltung(soperation), zieht das System seine Grenze neu und differenziert sich dabei immer wieder aus. Findet keine Operation statt, ist da auch kein System. Die Operation verglüht sozusagen im Moment ihrer Vollendung.
Das eine Evolution stattgefunden hat, lässt sich wahrscheinlich wirklich immer nur im Nachhinein erkennen, denn die Beobachter sind gegenüber der Gegenwärtigen Operationen blind, was deren Auswirkungen sein werden. Empirisch wird sich wohl feststellen lassen, dass es Systeme gibt, in denen nur noch ganz spezifische Kommunikationen Anschlusskommunikationen erwarten lassen, weil Strukturen ausgebildet wurden, aufgrund einer Funktion, die bestimmtes erwartbar machen. So können wir heute - im Nachhinein beobachte - dass es ein Gastronomisches Subsystem gibt, in dem nur erfolgreich kommuniziert werden kann, was sich um Wohlschmeckendes/Nicht-Wohlschmeckendes dreht, während vor 60Jahren im Nationalsozialismus/Faschismus nicht gegessen wurde, was politisch/völkisch "entartet" war. Und nach dieser Differenz musste auch fast alles andere codiert werden (Krankheit, Politik, Kunst...).

Friday, June 02, 2006

Aber genau das ist ja mein Argument

Herrje, Du hast ja völlig recht. Allerdings denke ich, dass der Begriff der Evolution diesen Komplexitätssteigerungen und Selektionen nicht gerecht wird.
Maturana/Varela schreiben ja: "Wir sehen die Evolution hier als ein strukturelles Driften bei fortwährender phylogenetischer Selektion. Dabei gibt es keinen 'Fortschritt' im Sinne einer Optimierung der Nutzung der Umwelt, sondern nur die Erhaltung der Anpassung und Autopoiese in einem Prozeß , in dem Organismus und Umwelt in dauernder Strukturkoppelung bleiben" (S. 127).
Also entweder haben wir es mit einem Drift zu tun, dann ensteht eine Bewegung des Übergangs, wie es Maturana/Varela nahelegen oder wir haben es mir einer sprunghaften Komplexitätssteigerung zu tun, denn es lässt sich ja nur die Differenz beobachten, aber nicht den Prozess des Differenzierens (außer man spielt Daumenkino, aber dann organisiert man die Differenzen bereits nach einem evolutionären Blick und man bekommt schon immer das was man beobachten will und das ist und bleibt langweilig bzw. es gäbe keinen Gegencode - also die Null - zu "Evolution".
Ich plädiere hiermit für Schizophrenie der Evolution und damit zwar für ihre Kreativität und Produktivität, aber nicht für eine Angemessenheit als analytischer Begriff.

Einige Anmerkungen...

...bevor das Fest des Intellekts (Pfingsten) ganz verrückt macht...

vorweg: Finde den Vorschlag sehr gut und werde mich einmal umschauen, wo denn die Schnapspralinen in der hübsch verpackten Schachtel der Kritischen Theorie liegen.

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Noch ein wenig zu...

EVOLUTION


Evolution in der Systemtheorie heißt NICHT: (lineare) Entwicklung vom schlechteren zum besseren; oder etwa von "weniger überlebensfähig zu überlebensfähiger", sondern von einer Komplexitätsstufe zu einer anderen.

Das Augenmerk liegt auf Selektionsprozessen, die Variationen im System erlauben - und zwar: Es kann bestimmtes ausgewählt werden, weil nicht alles ausgewählt werden muss.

Je größer die Komplexität eines Systems (das es solche gibt, muss wohl vorausgesetzt werden - und sie können über/durch ihre Systemgrenzen von ihrer Umwelt getrennt beobachtet werden), desto mehr Evolutionsmöglichkeiten (Veränderungsmöglichkeiten mit anschließender Restabilisierung) sind ihm gegeben. Heißt: Desto mehr Selektionen von Elementenrelation kann es realisieren.

Die Relation von Elementen die dabei entsteht, weißt neue / andere Qualitäten auf, als die vorangegangenen bzw. als die Qualitäten, welche die einzelnen Elemente jeweils für sich besitzen. Das Ganze ist hier mehr als die Summer seiner Teile und weniger als die Summe seiner Teile zugleich.

Systeme sind aber nie isoliert zu betrachten, sondern immer Systeme in einer Umwelt. Die Umwelt hat zwar keinerlei Steuerungsmöglichkeiten (außer Destruktion) und kann auch nicht vom System gesteuert werden. Sie hat aber durch wechselseitige Irritationen Einfluss auf die Systementwicklung. Auch sind in der Umwelt eines Systems, mehrere andere Systeme vorhanden, die Spezialumwelten darstellen.

Es ist davon auszugehen, dass es zu höherer Komplexität in einem System nur kommen kann, wenn andere Systeme in der Umwelt gleichzeitig ebenfalls eine höhere Komplexität entwickeln, um Anforderungen zu erfüllen, die das eine System nun an seine Umwelt stellt, aber deren Lösung es selbst nicht übernimmt.



Dabei ist nicht klar, wer sich zuerst entwickelt hat - das System oder seine Umwelt -, sondern es handelt sich um Co-Evolution. Ein Beispiel ist die Co-Evolution von Sozialen Systemen und Bewusstseinssystemen, aber auch die Evolution einzelner Sozialer Systeme in der Moderne, die ohne die gleichzeitig Evolution anderer Sozialer Systeme, die die jeweils selbst nicht erfüllten Aufgaben übernehmen, nicht möglich gewesen wäre (Das Wissenschaftssystem ist darauf angewiesen, dass in der Umwelt sich jemand um Politik und um Wirtschaft kümmert, und auch die Wirtschaft ist ohne Wissenschaft und Politik in ihrer jetztigen Form nicht denkbar). Über Strukturelle Kopplung werden einzelne Elemente ja sogar von mehreren Systemen gemeinsam benutzt (bspw. Zeugnisse), aber nach systeminternen spezifischen Verfahren weiterprozessiert (Wirtschaft: Einstellungsqualifikation; Wissenschaft:Karrieredifferenzierungen (?) ).

Friday, May 26, 2006

Aufruf/Vorschlag

Lieber Daniel,

Eingedenk unseres beiderseitigen Zeitmanagements (Du und Herr Rustemayer - Ich und mein Wochenendseminar) würde ich Dir und mir dennoch vorschlagen wollen und uns dazu aufrufen, die Gegenseite einzunehmen.

Wie wäre es, wenn wir jeweils eine Lobhudelei der anderen Seite. vornehmen würden (aber bitte auf Systemniveau!), d.h. eine Rekonstruktion der theorieimmanenten Rationalität(en) aus einer affirmativen Perspektive durchführen.

Na, wie wär's ? (*aufreizend blinzel*)

Politische (Protest)formel

Auch der Luhmanns letzter Halbsatz (...und praktisch nichts lässt sich ändern) ist politisch!
Allein der Rückgriff auf die Naturwissenschaften impliziert das.
Das Heraussprengen ist natürlich eine politische Forderung, aber es steckt ja gerade die Erkenntnis darin, dass eine Kontinuierlichkeit (und sei sie noch so sprunghaft) - ergo auch Evolution - eine politische Strategie der Legitimierung einer sozialen Organisation ist. Aber ganz recht verstanden: Ich bestreite tatsächlich dass Vorhandensein einer Evolution, diese ist eine systemspezifische Beobachtung und daher partikular = politisch (im Sinne eineer spezifischen Rationalität).
Das Heraussprengen ist die Möglichkeit, das "...und praktisch nichts lässt sich ändern" außer Kraft zu setzen.

Die Frage, ob ich mich damit aus der Soziologie/Wissenschaft verabschiede, sei einmal dahingestellt - mir hat die Wertfreiheit (Edo Enke sei dank) nie eingeleuchtet - allerdings teile ich ja auch die Inkommensurabilität und wechselseitige Opazität psychischer und sozialer Systeme nicht. Die Frage, wie es denn heute noch anders möglich ist, ohne auf eine vorwaltende Logik/Rationalität zu beharren, ist ja gerade die Ausgangsfrage meiner Beschäftigung mit Soziologie/Wissenschaft. Wenn es dann zu einem Durch oder Shift der Codes kommt: umso besser.

Nachdem ich Deinen Post noch einmal gelesen habe: Ein absatz zur Evolution.

"...aber Vorantreibung von Evolution durch ständige Selektion, ohne Aussicht auf wirkliche, dauerhafte Stabilität ist ganz klar überall zu beobachten."

Ich kann eigentlich gar keine Evolution beobachten, außer man setzt ständige Sinnauswahl mit Evolution gleich. Dann aber fallen Sinn und Evolution zusammen (und es fragt sich, warum man dann den Begriff Sinn oder Evolution benötigt). Es lassen sich Brüche, Verschiebungen , Veränderungen beobachten, d.h genauer: Bruch und Spalt, Grenze und Mauer, Riss und Differenz etc, nicht aber der Prozess des Herstellens selbst. (zumindestens nicht direkt) Evolution bezeichnet aber genau dieses Prozesshafte, den Übergang und nicht den Bruch. Evolution ist sozusagen eine zweite Sinnebene, die dem Sinn "etwas ist nun anders" eine historische Kontinuität zuschreibt. Diesen Vorstellungen liegen auch den Theorien sozialer Differenzierungen zugrunde. Oder anders gesagt: Differenzen existieren (wie auch Systeme) aber das sagt nichts darüber aus, wie, wann und im Vergleich zu was sie entstanden sind., d.h. ob ihnen eine Differenzierung oder Evolution (als actio) zugrunde liegt.

Thursday, May 25, 2006

"Alles könnte anders sein,...

...und praktisch nichts lässt sich ändern." (Niklas Luhmann, zitiert nach Alois Hahn).

Nicht ganz sicher, ob das Phänomen der sozialen Differenzierung von Gesellschaft, welches schon bei Simmel und Dürkheim, und dann bei Parsons und Luhmann beschrieben wird, in Frage gestellt wird oder ob das Erkenntnistheoretische Prinzip der System/Umwelt-Differenz als unplausibel abgelehnt wird, obwohl es nicht nur von physikalischen und biologischen Forschungen gestützt wird, sondern auch psychologisch, wie soziologisch erfolgreich Beschreibungen wie Kybernetik 2.Ordnung, Autopoiesis, operative Schließung etc. eingeführt hat, lasse ich dieses Problem diesmal außen vor und versuche an den Punkt der Kontingenz anzuschließen.

Ich würde dagegen mit Benjamin behaupten, dass Geschichte schreiben niemals heißt, "es erkennen 'wie es denn eigentlich gewesen sei.'"

Dem kann man wohl systemtheoretisch voll zustimmen, denn - wie im Post "Zuschreibungen" bereits steht - erscheint die Vergangenheit, stets im Licht der Gegenwart. Auch die Vergangenheit verändert sich fortlaufend, wird vergessen, erinnert, umgeschrieben und umgedeutet. Nichts desto trotz schließen Gegenwärtige Operationen an vergangene an - und zwar so, wie sie diese thematisieren und so, wie es Strukturen (als Erwartungen) aus der Vergangenheit zulassen, wobei hier kein deterministischer trivial-Maschinen-Output erwartet werden darf, sondern es in der Verantwortung des Systems als Entscheidendem liegt, welche Anschlussoperation erfolgt. Allerdings ohne die Zusicherung, dass es damit genau das erreicht wird, was erreicht werden soll - wenn man denn so naiv war und konkrete Vorstellungen über die unbestimmte Zukunft hegt.

es geht nicht um die historische Genese des Systems, sondern um die "Heraussprengung" des "Jetzt" aus dem historischen Kontinuum.

Scheint eine politische Protestformel zu sein. Es sei denn, es meint das Reisen in eine unbekannte Zukunft, die als Ressource begriffen werden soll. Das wäre dann wohl auch eins der Phänomene der (hoch-)modernen Gesellschaft.

die wertvolle Erkenntnis Luhmanns, dass alles anders hätte kommen können.

und es dennoch ganz enorme Einschränkungen bzgl. des aktuellen/gegenwärtigen selektierens von Möglichkeiten gibt (oft laufen Prozesse, die nur mit Fortsetzung od. Totalabbruch beantwortet werden können). Zum anderen müssen Variationsspielräume erst einmal entdeckt werden (vielleicht ein produktives Betätigungsfeld für kritische Theoretiker), was, wenn man sie beschreiben kann, aber immer noch keinen Variationshype rechtfertigen würde (wenn zumal es eine geradezu unwahrscheinliche Leistung ist, Strukturen zur Funktionserfüllung stabil zu halten), aber Vorantreibung von Evolution durch ständige Selektion, ohne Aussicht auf wirkliche, dauerhafte Stabilität ist ganz klar überall zu beobachten.

Was wieder zum Konstruktivismus (incl. Autopoiesis) führt, indem wir konstatieren, dass wir emergente Einheiten beobachten können, die sich selbst produzieren und reproduzieren und dabei zwar in einer - wenn man so will: - absoluten Wahrheit, die sie aber nie erkennen können und deshalb auch als solche irrelevant verworfen werden kann / undurchschaubaren Umwelt fremdreferentiell Bedeutungen über systemintern Erkanntes verorten, aber deren blinden Fleck zusammen mit ihrer Selbstbezüglichkeit ihnen eigentlich lediglich die Möglichkeit der Selbstbeschreibung zugesteht - von da wo das System im Moment ist. Die Gesellschaft kann sich dann in der Soziologie auch nur selbstbeschreiben / Selbsbeschreibungen anfertigen und zwar in dem Medium in dem sie sich reproduziert und Formen annimmt: In dem der kommunikativ benutzten Sprache.

Sunday, May 21, 2006

Once more with feeling...

Dein Erstaunen, erstaunt mich. Dass ich unten stehenden Kommunikationsabschnitt (nach Deleuze und Guattari muß man ja stets Einschnitte vornehmen um etwas zu produzieren, d.h die Maschinen zum stottern bringen...) veröffentlicht habe, resultierte aus der Annahme, dass sich unser Dialog durchaus in einem Medium vollzieht, dass nicht öffentlich ist, sondern in einem stets prekären Feld von Privatheit und Öffentlichkeit oszilliert. Auch dachte ich, dass jener schöne Dialog jener potentiellen Privatheit/Öffentlichkeit Dritter (4ter, 5ter, xter) zugänglich gemacht werden sollte (wobei gerade meine Nüchternheit im Ausdruck Deinen wunderbaren Sprachbildern leider keine adäquate Ästhetik entgegenzusetzen wusste - vom quantitativen Verhältnis wollen wir schweigen...) . Besides, diese Mails erläutern eben jene Umbennung von "versus" in "trifft". Deswegen... Once more with feeling...

Meine Kritik am Schema der funktionalen Differenzierung ist ja, dass sie, vor allem wenn es mit einer Evolution verknüpft wird, die historische Kontingenz ausradiert. Das Problem ist ja, dass sich plausibel gar nicht erklären lässt, ob eine Entwicklung oder Differenzierung stattgefunden hat. Schließlich schreiben wir Wissenschaft von einem Standpunkt aus, der als modern zu charakterisieren Ergebnis nicht nur nicht das Ergebnis einer Entwicklung an sich, sondern auch einer unwahrscheinlichen Beobachtungsposition ausgeht. D.h. die Beschreibung einer differenzierten Gesellschaft hat rein gar nichts mit einer Systemdifferenzierung zu tun, sondern ist eine Startegie der Wahrheit, die einen gegebenen Zustand als (zwar zufällige und unwahrscheinliche) aber notwendige Folge eines Prozesses der Differenzierung betrachtet.
Geschichte ist es niemals. Um mit Foucault zu argumentieren: Soziale Differenzierung sit ein hsitorisches Apriori für die Theorie sozialer Differenzierung, vor allem dann, wenn sie eine Evolution (also ein Fortschreiten - wovon - wohin?) konstatiert. Nein, so geht das nicht.
Ich würde dagegen mit Benjamin behaupten, dass Geschichte schreiben niemals heißt, "es erkennen 'wie es denn eigentlich gewesen sei.'" Die gesuchten Anschlüsse an die Naturwissenschaften unterminieren die wertvolle Erkenntnis Luhmanns, dass alles anders hätte kommen können. Aber diese Historisierung der Genese macht einen Unterschied ums Ganze. Denn es geht nicht um die historische Genese des Systems, sondern um die "Heraussprengung" des "Jetzt" aus dem historischen Kontinuum. Wahrheit ist wahrlich ein Code des Wissenschaftssystems, aber weil Wahrheit stets in Machtspiele verwickelt ist, ist sie auch immer ein Objekt politischer Strategien.

Das Problem der Sozialtechnologie und der Kritischen Theorie ist ja etwas komplizierter als Du das darstellst. (darstellen möchtest?)
Das Anliegen der Kritischen Theorie war ja die Entkoppelung des Rationalitätsproblems von der Verwertbarkeit. D.h., dass es darum ging, eine nichtteleologische Konzeption von Rationalität zu konzipieren (Siehe herzu den Horkheimeraufsatz zur kritschen und traditionellen Vernunft). D.h., dass man der kritischen Theorie allerlei vorwerfen kann, aber nicht eine Verwertungbarkeit (was ja ein inneres Sträuben hervorruft). Darin begründet sich ja ihr Bilderverbot der "Wahrheit". Keinen telos angeben dürfen, dass folgt aus der Ablehnung einer Verwertbarkeit. Sicher, sie wünschen eine Herrschaftfreiheit, aber das heißt auch, sich von Verwertung fei zu machen, bis zu einem gewissen Grad auch vom Telos der Herrschaftsfreiheit.
Wann immer man iht also ein Telos zuschreiben möchte, schießt man am Kern der KT vorbei.
Das Problem stellt sich ja nur anders herum: Sicher es gibt real keine absolute Wahrheit, aber dass heißt nicht, dass es keine geben könnte. Und dies hängt nicht vom Grad der Differenzierung ab, sondern von ihrer Form.

P.S.: Vielleicht sollte erwähnt werden, dass die KT die Prominenz einer sozialen Differenzierung deswegen so unglaubwürdig erscheint, weil die eigene Erfahrung eine solche nicht bestätigen konnte - hingegen ist sie wenn dann als Idealtypus im Sinne Webers zu verstehen, als Folie, vor der sich die Unzulänglichkeit der realen Nicht- oder Entdifferenzierung beschreiben lässt.
Oh, hätte sich doch das Wissenschaftsystem vom politischen System getrennt.

Literatur:
Benjamin, Walter (1940): Über den Begriff der Geschichte/Geschichtsphilosophische Thesen.
Horkheimer, Max (1937): Traditionelle und kritische Theorie.
Adorno, Theodor W. (1969): Einleitung in: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie.

"Bitte nie zu sagen,..

...>das ist langweilig, das kenne ich schon<. Das ist die größte Katastrophe! Immer wieder zu sagen, >ich habe keine Ahnung, ich möchte das noch einmal erleben<." (Heinz von Foerster)

Dieser Post ist auch - vor allem! - vom Erstaunen geprägt, dass sich hier Fragmente einer Privatkommunikation in der Spähre wiederfinden, die als Pool der öffentlichen Meinung dient. Durch die Transformation von Öffentlich in Privat, so kann ich nur konstatieren, gewinnt der Text die Möglichkeit von anderer Beobachterseit gelesen zu werden und somit neue / andere Sinnhorizonte zu erschließen. Ja und faszinierend dazu, dass er ursprünglich (zum großen Anteilen) von der Person "Daniel" mitgeteilt wurde, von der Person "Lars" verstanden mit Sinn versehen und nun von Seiten der Person "Lars" der gleiche Text (sogar mit denselben Adressatennamen!!!) mitgeteilt wird (also die Mitteilungsabsicht "Lars" unterstellt werden kann!) und von der Person "Daniel" als ein nicht-mehr-von-ihr-mitgeteilter Text gelesen wird. Wo man früher gesagt hätte: "Der eigene Text ist fremd geworden!", kann man jetzt "nach Luhmann" sagen: "Die Kommunikation kommuniziert sich selber! Sie ist vom Bewusstsein, vom Menschen, vom Körper abgelöst und reproduziert sich selbst!"

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Auf die Masse der Unterscheidungen die in den letzten Posts prozessiert wurde, kann leider jetzt aus Zeitgründen nicht eingegangen werden, nur kann ich vielleicht zwei Dinge kurz ansprechen:

weniger ontologisierend als die Systemtheorie (die ja von einem Evolutionsprinzip = funktionale Differenzierung ausgeht)

ohne zu wissen, warum es wenig onthologisch sein soll davon auszugehenen, wenn davon ausgegangen wird, dass bestimmte Dinge so wie sie einem Beobachter (oder zwei Beobachter: Delleuze / Guattari) erscheinen, dann tatsächlich so in der Umwelt vorkommen ( sie sind da! : Ja na klar! Für den Beobachter schon... "Es gibt Systeme!" (Luhmann)) ist der deonthologisierende Witz bei der Systemtheorie der, dass (und darum auch: Die Systemtheorie konnte sich de facto als Universaltheorie nur behaupten und entwickeln, weil ) sie sich als Selbstreferentielle Theorie in sich selbst vorkommend beobachten kann. Das macht sie natürlich (und den Anspruch hat auch Luhmann nicht erhoben) nicht zur einzig möglichen, ausschließlich Wahrheitsbeanspruchenden Theorie (es spricht nichts dagegen, dass es mehrere Selbstreferentielle Theorien nebeneinander gibt), aber zu einer, die mit ihren Mitteln, mit ihrer Beobachtungsfähigkeit (und dazu gehören auch und gerade in der Soziologie immer diese unerklärbaren "Was"-Fragen) alles soziale auf ihre systemspezifische Art beobachten kann.

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...und der Punkt mit der Sozialtechnologie bezieht sich darauf (NICHT auf die Aufgabe der Universalistischen Position), dass der Kritischen Theorie und der ganzen emanzipatorisch-moralischem Theorie, mit der nun an die ehemals kritische Theorie angeschlossen, ihre Zielgerichtetheit, ihre Verwertbarkeit ("Heal the world, make a better place, for me and for you (...nach meinen Vorstellungen)) schwer abzusprechen ist und der Verwertungsvorwurf sich nicht gegen eine beschreibend-bezeichnende Systemtheorie zu richten hat, es sei denn in dem Sinne, dass es dort um Wissenschaft geht und nach alles bzgl. des Codes wahr/falsch "verwertet", aber besser "beobachtet" wird.

Thursday, May 18, 2006

K trifft K - K trifft A?

Von: "daniel Kofahl"
An: "Lars Alberth"
Betreff: ;-)
Liebster Irrer!

(Sie verzeihen mir bitte direkt jede Unhöflichkeiten, denn diese sind
durchaus freundlich, bewundernd... ach suchen Sie sich was aus, was
Ihnen
genehm ist... gemeint!!!)

Was auch immer seit gestern an neuen Vitaminen in Ihrer
Kellogsfrühstückmischung ist, dass Sie auf einmal publizieren und
publizieren, geistreich, und gleichzeitig von allen guten Geistern
verlassen... meiner einer wird ein paar Tage brauchen um sich
einzulesen, in
diese Großgeistereien. (Zumal mir hr.Rustemeyer heute ein
20S.English-Referat bis nexten Mittwoch als "zwangsfreiwilliger" aufs
auge
gedrückt hat).

In diesem Sinne, der sich gleichzeitig freuende das sie soviel
schreiben
(weil bestimmt von intellektuellem Wert), wie entsetzt röchelnde (weil
sie
soviel schreiben und bestimmt alles von intellektuellem Wert),

Daniel, der Ihre


> --- Ursprüngliche Nachricht ---


> Von: Lars Alberth
> An: daniel Kofahl
> Betreff: RE: Herr im Himmel
> Datum: Tue, 16 May 2006 12:54:57 +0200 (CEST)
>
> Tu nur, Ich habe da durchaus nichts einzuwenden,
> Kritik trifft System klingt definitiv besser...

>
>
>

>
>
> daniel Kofahl schrieb:

>
> > Hallo Lars aus Wuppertal!
> >
> >
> > Gut wieder in der überschaubaren Wahlheimat
> > angekommen, bin ich, geplagt von
> > nervösen, prä-scheidungsgeschädigten
> > Selbstüberschätzungen manischer
> > Blinheit (überall Flecken!!!), dazu verleitet
> > worden, einen
> > verhängnissvollen (theoretisch kaum zu
> > rechtfertigen) Schritt zu tun.
> >
> > Ich habe in "unserem Blog" veröffentlicht.
> >
> > Jaja, ich bin nicht dran, Sie haben auch anderes zu
> > tun und überhaupt sind
> > Sie ja jetzt Sozialtechnologe und kein Kritischer
> > Theoretiker mehr (Nieder
> > mit dem Universalismus...) und und und...
> >
> > Aber mir erschien es als praktisch, um ihnen noch
> > ein paar Informationen
> > mitzuteilen (und welche Mitteilungsabsicht Sie mir
> > unterstellen wollen,
> > bleibt sowieso Ihnen überlassen).
> >
> > Generell erscheint mir das Konzept "Kritik" GEGEN
> > "Kybernetik" etwas scharf
> > und ich würde für ein etwas anderes Konzept, etwa
> > "Kritik" TRIFFT
> > "Kybernetik" plädieren, so dass man den
> > Sabotagezwängen gegenüber dem
> > Gegenüber nicht so ausgeliefert ist und tödliche
> > Stiche so leichter aus dem
> > Nichts täuschender Ruhe setzen kann, mit dem man den
> > "Gegner" während eines
> > intellektuellen Informationsgeplänkel getäuscht hat.
> >
> >
> > Wir hatten ja auch noch das merkwürdige
> > Körperproblem - wenn ich mich recht
> > erinnere meinten Sie, wer Körper sagt, sagt auch
> > Geist. Wenn Benny`s
> > Kapitalismusfragment stimmt, und es richtig ist,
> > dass wer Geld sagt, auch
> > Geist sagt, dann sind wir wohl alle Prostituierte.
> >
> > ... ich frage mich, ob das nicht wunderschön ist?...
> >
> >
> > Uneben ist mein Bett und da gehe ich jetzt rein -
> > noch ist der Eintritt
> > frei.
> >
> > Sich tief verbeugend und ihnen ein paar
> > Kalkülstrahlen schickend,
> >
> > Ihr Daniel

Wednesday, May 17, 2006

Beispiele materialistischen Konstruktivismus' I: das Dispositiv

Was ist ein Dispositiv?


Definition: „Es ist zunächst ein Durcheinander, ein multilineares Ensemble“, „Es ist zusammengesetzt aus Linien verschiedener Natur.“

Diese Linien im Dispositiv umringen oder umgeben nicht etwa Systeme, deren jedes für sich homogen wäre: das Objekt, die Sprache usw.,

stattdessen:

- sie folgen Richtungsvorgaben,

- zeichnen Vorgänge nach,

- Linien sind stets im Ungleichgewicht

- Sie nähern sich mal an und entfernen sich voneinander


Linien sind in sich gebrochen und unterliegen damit Richtungsänderungen unterworfen
und Linien verzweigen und gabeln sich und sind damit Abweichungen unterworfen.

Sichtbare Objekte, formulierte Aussagen, ausgeübte Kräfte und positionierte Subjekte sind Vektoren und Tensoren.

- Es gibt drei große Instanzen: Wissen, Macht und Subjektivität. Diese Linien sind nicht universal, sondern historisch kontingent.

„Es gibt Sedimentierungslinien, sagt Foucault, aber auch ‚Spaltungs’- und ‚Bruch’-Linien“

Und:

„Will man die Linien eines Dispositivs entwirren, so muß man in jedem Fall eine Karte anfertigen, man muß kartographieren, unbekannte Länder ausmessen – eben das, was er als ‚Arbeit im Gelände’ bezeichnet. Man muß sich auf die Linien selbst einstellen, die sich nicht damit begnügen, ein Dispositiv zusammenzustellen, sondern die es – von Nord nach Süd, von Ost nach West oder diagonal – durchqueren und mit sich fortreißen“ (S. 153).

1+2. Für Foucault gibt es die Kurven der Sichtbarkeit und die Kurven des Aussagens.

Dispositive sind also Maschinen, die Sehen machen oder sehen lassen, sprechen machen oder sprechen lassen.

Dabei verweist Sichtbarkeit nicht auf ein Licht, dass von außen ein Objekt bescheint, sondern auf Lichtlinien, die dispositivspezifische Figuren hervortreten lassen. – Ein Dispositiv hat stets eine Lichtordnung! (Das Panopticum: sehen, ohne gesehen zu werden und gesehen werden, ohne selbst den Betrachter zu sehen.)

Die Geschichtlichkeit eines Dispositivs liegt also in einer Lichtordnung und in einer Aussageordnung, die weder Subjekte noch Objekte sind. Aussagevorgänge sind Kurven, auf denen sich differentielle Positionen und Elemente verteilen.

Beide Ordnungen haben ihre Abweichungen, Transformationen und Mutationen. Linien überwinden dabei Schwellen, die sie verändern und transformieren.


3. Kräftelinien: Diese verlaufen auf den anderen Linien von einem Punkt zum anderen, sie richten die anderen Linien aus, tangieren oder verbinden die anderen Linien. (Vom Sehen zum Sprechen). Dioe Kräftelinien durchkreuzen alle Orte eines Dispositivs, sidn unsehbar und unsagbar und doch mit diesen Linien verknüpft: Es sind die Linien der Macht als dritte Dimension des den Dispositiven innerlichen Raumes.


4. Linien der Subjektivierung: Kräftelinien krümmen sich, bilden Mäander, wirken auf sich selbst anstatt auf andere Linien ein (es entsteht eine Falte). Es flieht die anderen Linien, „macht sich davon“, entzieht sich: Die Subjektivierung ist ein Prozess, der zwar einen Mehrwert (Subjekt) produziert, aber nicht in jedem Dispositiv gegeben ist.

Deleuze stellt die Frage, ob die Subjektivierung nicht den äußersten Rand eines Dispositivs ausmacht, weil durch sie neue Macht- und Wissensformen aufkommen, die mit „alten“ Dispositiv brechen und zu neuen übergehen. Subjektivierung wäre damit also das Doppel aus Deterritorialisierung und Reterritorialisierung

Wir haben also:

Sichtbarkeitslinien, Aussagelinien, Kräftelinien, Subjektivierungslinien, Rißlinien, Spaltlinien, Bruchlinien.

Sie überkreuzen sich, vermischen sich, geben als eine das andere wieder, variieren, verketten, mutieren, er erzeugen andere Linien.

Für Deleuze ergeben sich daraus zwei Folgerungen:

1. Zurückweisung der Universalien: Sie erklärt nichts, sondern muß erklärt werden. Es gibt keine Koordinaten, nur Variationslinien: Objekte, Subjekte, das Ganze, das Wahre sind keine Universalien, sondern singuläre Prozesse der Objektivierung, Subjektivierung, Verifizierung etc.

Das heißt, dass ein Dispositiv immer eine Vielheit ist, niemals Zustand sondern Werden.

Damit ist auch Rationalität eine Vielzahl an Formen. Hier gibt es sicherlich eine Nähe zur Systemtheorie. Nur bilden die unterschiedlichen Dispositive keine Gleichgewichtigkeit aus. Für Deleuze und Foucault gibt es kein Dispositiv, dass als Beobachter zweiter Ordnung eine Rangigkeit oder Bewertung einführen könnte. Stattdessen bilden die den Dispositiven immanenten Möglichkeiten der Flucht, der Freiheit und der Ästhetik, der Kreativität etc. die Rationalität, an der sich die Entwicklung eines Dispositivs bewerten lässt (aber auch nicht anhand der Codes, sondern anhand deren Auflösungen).

2. Die Orientierung muss daher vom Ewigen zum Neuen umschenken: Das Neuartige sind keine Differenzierungen von Aussagen sondern die Fähigkeiten von Aussageordnungen hinsichtlich ihrer Selbsttransformation oder Selbstspaltung in der Zukunft. Subjektvierungslinien scheinen sich dafür besonders gut zu eignen.

Aktualität als Neuartigkeit bedeutet dabei ein in actu, ein sich im Werden befinden, das Verhältnis eines Dispositivs zu seinen Vorgängern: Es geht also um die Anteile der Geschichte und die Anteile des Aktuellen, der Analytik und der Diagnostik. Dabei bezeichnet das Archiv den Zustand, der wir immer weniger sind, während das Neue eine Inaktualität, ein die zeitliche Ordnung Durchbrechendes ist.

Die Linien des Dispositivs können also dahingehend unterteilt werden, ob sie Linien der Schichtung und Sedimentierung oder Linien der Aktualisierung oder Kreativität sind.

Literatur:

Gilles Deleuze (1991): Was ist ein Dispositiv?, in Francios Ewald und Bernhard Waldenfels (Eds.): Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken, Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 153-162.

Tuesday, May 16, 2006

materialistischer Konstruktivismus: Strom, System,Territorium

Also zumindestens noch ein Versuch zu Deleuze/Guattari:

Für Guattari und Deleuze bestehen gesellschaftliche Zustände in der Organisation von Strömen. Sinn ensteht also ähnlich wie in der Sysatemtheorie durch produktive Prozesse, allerdings nicht in Form einer Bewußtseinsausbildung, sondern in Form der Sedimentierung und Faltung von Partikeln (Individuen, Mengen, Daten etc.) Insofern sind sie weniger ontologisierend als die Systemtheorie (die ja von einem Evolutionsprinzip = funktionale Differenzierung ausgeht).
Deleuze und Guattari fragen also nicht danach, wie diese Ströme entstehen - sie sind da! Ihre ausformung hingegen ist historisch kontingent, d.h. Sedimentierungsprozesse (Ablagerungen an Sinn und Nicht-Sinn) und deren Faltung (also die Organisation dieser Elemente - geschichtet, differenziert, stratifiziert) können unterschiedliche Formen annehmen.
Man muss ich das so vorstellen, dass es eine Ebene gibt, die undifferenziert ist und auf der sich Ströme (Geld, Massen, Rohstoffe), Elemente und Partikel (Gruppen und Individuen) verteilen.
Diese Ebene wird von ihnen der organlose Körper genannt, der zwar noch nicht definiert, aber immer schon vorhanden ist. Die Ströme, Elemente und Partikel bewegen sich in einer Schicht über dieser Ebene und zwischen diesen beiden bilden sich nun maschinelle (also produktive) Gefüge, die eben gleichzeitig Sedimente ablagern und abgelagerte Sedimente falten. Es bilden sich Moleküle und molare Einheiten.
Der Witz bei Deleuze und Guattari besteht nun unter anderem darin, dass sie zwischen Codierung, Decodierung und Supercodierung unterscheiden.
Codierung geht mit einer Territorialisierung einher, d.h. es erfolgt eine Organisation der Ströme auf der Ebene (Grenzziehungen, Installation von Verkehrswegen, Ballungen etc.)
Weil aber durch diese Prozesse immer etwas verloren geht (aktives Entfliehen, Reibungsverluste im Sinne des 2. thermodynamischen Hauptsatzes) entsteht gleichzeitig eine Decodierung und Auflösung der Organsiation, d.h. es gibt mit jeder Territorialisierung eine Deterritorialisierung (Auschluss aus dem System, Delegitimierungen, Migration, Fluchten usw).
Die Dritte Beobachtung konstatiert schließlich, dass dieses "Mehr" an Strömung, das stets aus der Territorialisierung flieht, mit anderen Strömen zusammenfließen kann und sich somit reterritorialisieren kann (also die einzelnen Codes der Ströme supercodiert - hier haben wir auch die Vorstellung des leeren Signifikanten bei Laclau/Mouffe wieder). Mehr noch: Eine Reterritorialisierung kann nur auf der Basis einer weitgehenden Deterritorialisierung stattfinden: Dies bedeutet, eine Neuorganisation (z.B. auch eines Sytems) kann also nur da auftauchen, wo sich bisherige Organisationen deterritorialisiert haben. Eine ethnische Minderhiet kann z.B. nur vor der Desorganisation einer nationalen Mehrheit entstehen - oder: Bürokratie als rationale Organsiation von Gesellschaft ist nur möglich, wenn andere Formen der Regierung irrational geworden sind - oder (Achtung: Seitenhieb!!!): die Systemtheorie kann sich nur dadurvch als Universaltheorie innerhalb der Soztiologie reterritorialisieren, insofern andere Theorien ihren Universalitätsanspruch aufgegeben oder verloren haben. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Die Systemtheorie konnte sich de facto als Universaltheorie nur behaupten und entwickeln, weil Habermas sich an dieser Entwicklung beteiligt hat, also den Gedanken einer Systembildung akzeptierte, damit andere Modelle (etwa der Dialektik der Aufklärung) zurückwies, und damit eine Deterrirorialisierung der Kritischen Theorie ermöglichte. Wohlgemerkt, dies ist also nicht ein reiner Gewinn inheränter systemischer Theoriebildung, sondern diese wurde erst durch die Auflösung anderer Territorien ermöglicht. So fließen in der Luhmannsche Theorie die Ströme der Kybernetik, des Konstruktivismus, des Idealismus, der Evolutionstheorie, Old River Parsons (der gute Talcott), der Dialektik und der Bürokratie zusammen und reterritrialisieren sich auf dem deterritorialisiertem Feld universalistischer Gesellschaftstheorie...Alles klar?

BTW: Warum ist die Aufgabe einer universalistischen Position mit der Einnahme einer sozialtechnologischen Position gleichzusetzen? Wohlgemerkt: Universalismuskritik heißt ja nicht, das Erklärungsfeld zu reduzieren (die Gesellschaft) oder sich auf eine therapeutische Position zu begeben (was ich bislkang unetr Sozialtechnologie verstehe), sondern sowohl das Explanans als auch das Explanandum selbst als historisch und sozial kontingent zu verstehen, d.h. dass sich hinter der Theoriebildung keine Transzendentalien (wie etwa eine Evolution) verbergen: Universalismuskritik hießt, Oberflächenkunde zu betreiben, also Karten anlegen und keine tiefenheremeneutische Theorie zu entwickeln - a lles ist da, man muß nur hinsehen und aufzeichnen.

Literatur:

Gilles Deleuze/Félix Guattari (1997): Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie, Berlin: Merve.
Gilles Deleuze (1993): Unterhandlungen 1972-1990, Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Larner, Wendy/Walters, Wiliam (2004): Globalization as Gouvernmentality, in Alternatives, Vol. 29, S. 495-514.

Konstruktivismus, Idealismus und das inkludierende Dritte

Nun,

ich denken nicht, dass Luhmann recht hat, wenn er den Idealismus mit der Konfrontation von Erkenntnis und Objekt identifiziert. Der Unterschied zwischen Konstruktivismus und Idealismus liegt auf einer operativen Ebene, aber nicht auf einem unterscheidlichen Erklärungszusammenhang. Wenn für den Phänomologen klar war, dass sich die Dinge in der Erkenntnis organisieren und dass darüber hinaus keine andere Realität existiert, die dahinter steht, dann klingt das schon ziemlich nach Konstruktivismus. Die Dialektik ist ja ähnlich wie der Konstruktivismus ein Verfahren, dass den blinden Fleck im ausgeschlossenen Dritten sucht. Der Konstruktivismus macht aus diesem ausgeschlossenen Dritten nur die Form, die organisiert und holt es damit auf eine andere Art und Weise wieder hinein: Das System ist das inkludierte/inkludierende Dritte der Unterscheidung von System und Umwelt.

Nichts desto trotz gibt es für den Idealisten nicht notwendigerweise eine Unterscheidung von Erkenntnis und Objekt. Stattdessen führt der Idealismus im Endeffekt ja nur das Bewußtsein als Operator der Sinnstiftung ein. Der Unterschied zum Materialismus liegt stattdessen in der Zurückweisung einer Vorstellung formbildender Instanzen jenseits des Bewußtseins. Deswegen kann die Systemtheorie auch ebhaupten, dass die Umwelt nur irritiert aber neimals Systeme erzeugen kann. Daran würde ich Zweifel anmelden, und nicht an der Frage, ob das Bewußtsein transzendental oder operativ ist. Mir geht es sozusagen um die Hegemonie des Bewußtseins in der Systemtheoriebildung.

Wenn ich heute noch Zeit finde, werde ich versuchen, diese Argumentation mittels Adorno und Deleuze/Guattari zu stützen (die ja explizit einen materialistischen Konstruktivismus vertreten).

Monday, May 15, 2006

Zuerst... und dann: Objektivismus, Subjektivismus, Konstruktivismus

Zuerst: Parallel zur Blogzeit/Systemzeit passieren in der Umwelt gleichzeitig eine unendliche Menge anderer, unbeeinflussbar, viele Dinge. Zum Beispiel werden Kalenderblätter abgerissen. Seit der letzten Blogoperation sind deren viele im (hoffentlich) Altpapier gelandet. Das ist natürlich kein Grund dafür, dass dieser Beitrag an so anderem Inhalt orientiert ist als der vorangegangene, aber vielleicht ein Indiz für eine Information.

Nach einem Abendessen bei Lars -( über das (wie immer bei Mahlzeiten, deren Ursprung an die Person "Lars" adressiert werden) nur Beiträge zu vernehmen sind, die bezüglich der Anschlussseite des Gourmetcodes ("wohlschmeckend") zu verorten sind)- kam es zu einem Gespräch, dessen Irritationen zu folgenden Zeilen führten:

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Während Objektivismus/Realismus und Idealismus auf der Suche nach der "Realität dahinter" (wohinter? - hinter dem erkannten Beobachtungsgegenstand) Ausschau halten, ist das Erkennen des Konstruktivismus eine Operation und Beobachtung, für die es in der Umwelt des beobachtenden Systems keine Korrelation gibt und deshalb keine Umwelterkenntnisse produziert werden, sondern mit einer systeminternen Unterscheidung von Erkenntnis und Gegenstand (Erkenntnis # Gegenstand) operiert wird.

Des Objektivismus` Problem lautet: "Wie kann ich alle Erkenntnis als Zustand od. Vorgang in einem bestimmten Objekt beschreiben - also ohne dessen Umweltbeziehungen?"

Noch der Idealismus geht von einem direkten Konflikt zwischen Erkenntnis und Gegenstand (Erkenntnis vs. Gegenstand) aus. Sein Problem, welches er sich selbst stellt: "Wie kann man mit Rückgang auf Selbstreferenz des eigenen Bewusstsein Urteile über die Welt der anderen fällen?;
Er fragt: "Wie kommt man zur Einheit?" und benutzt die Dialektik.

Der Konstruktivismus kommt über das Unterscheiden nicht hinaus. Das Erkennen kann hier gerade noch sich selbst erkennen, wobei es erkennt, dass es nicht mehr gibt als nur das Erkannte. Und dieses Erkennen(#Nicht-Erkennen) ist Folge und Leistung einer jeweils speziellen, einmaligen System-Umwelt-Differenz und somit kein zweites Mal in der Umwelt des Systems zu finden. Es werden keine Gründe gefunden. Und wenn Einheiten, dann nur als zueinander passende Differenzen. Und Beschreibungen von systemintern Erkanntem sind nur systemintern gültig.





(Objektivismus vs. Idealismus) vs. (Konstruktivismus)

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verwendete Literatur:

Niklas L. (Systemtheoretiker): Das Erkenntnisprogramm des Konstruktivismus; in: Soz. Aufklärung Bd.5

Thursday, March 02, 2006

Zuschreibungen

Psychische Systeme bekommen einen Namen zugeschrieben und den bekommen sie, damit Ereignisse die durch ihre Mitteilungsabsicht Beachtung finden, zugerechnet werden können. Es wird in der Kommunikation nach der dazugehörigen Adresse gesucht. Dabei bekommen Individuen in ihrem Leben ja viele Namen zugeschrieben (z.B. Niklas, Hr. Luhmann, Hr. Prof., Teufelchen, Komplexitätsvirtuose etc.), was auf die Inklusionsangebote von diversen Systemen und auf Möglichkeiten verweist, sich durch unterschiedliche Kommunikationsangebote zu individualisieren und Totalexklusionen aus der Gesamtgesellschaft, aufgrund von Devianz, nicht befürchten zu müssen, aber auch gleichzetig auf die bestehenden Risiken, sich zu verlieren, sich nicht mehr wieder zu finden oder, wahrscheinlich genauso unbefriedigend, gar keine Namen zu bekommen – also in ihrer Differenz nicht erkannt werden (ein Problem mit dem Muslime in Frankreich zu kämpfen haben).

Die Namensgebung durch die Eltern, die Adresszuschreibung an ein Kind – das wahrscheinlich noch nicht denken, aber schon längst differenzieren kann – ist das, wahrscheinlich nie abgelehnte Angebot an das Kind, Selbstbezug und Bewusstsein entwickeln zu können. Dabei ergibt sich in der Abfolge des Anfangs keine reine Erinnerung an die erste Operation, weil das System sich aufgrund seiner Zeitlichkeit erst an einen Anfang erinnert, wenn dieser schon längst passè ist. Hinzu kommt, dass die Vergangenheit stets eine vom Licht der Gegenwart angestrahlte Vergangenheit ist – und sich ändert im Laufe der Zeit.
Die Adressen unter die ein Individuum im Laufe seiner Existenz inkludiert wird und was als fremdreferentieller Vorgang verbucht wird, machen aus dem psychischen System zwangsläufig ein mit Konflikten dieser Adresszuschreibungen konfrontiertes System. Es wird dazu genötigt sich organisieren oder verlieren, sich selbst beobachten oder ausblenden zu müssen.

Die soziologische Systemtheorie ist eine Ordnungstheorie der Unordnung. Sie versucht die Kontingenzen und Entropie-/Redundanzoption [womit aller Ansicht nach nicht das Entropie/Redundanz – Verständnis im vorhergegangenen Text gemeint ist] von beobachtbaren autopoetischen Kommunikationssystemen durch Beschreibung und Analyse zu entdecken. Und dazu gehört auch, psychische Systeme aus ihrer theoretisch gedachten Vollinklusion in eine Gesellschaft herauszulösen und somit ihre, durch frühere soziologische Theorie angestrebte Planbarkeit aufzugeben. Sie sind auf diese Weise der sowieso schon überkomplexen Umwelt von Gesellschaft (also von Kommunikation) zugeordnet und sind selber einer Vielzahl von komplexen Umwelten ausgesetzt. Die erwartete starre Rückkopplung die sich die Kritische Theorie an dieser Stelle denkt, hat sich aufgrund einer Vielzahl unberechenbarer Faktoren (darunter die Kreativität von psychischen Systemen) bislang nicht eingestellt.
Den Individuen gibt das die Chance sich auf vielfältige Art anzupassen, aber es bringt auch das Fehlen der Sicherheit mit sich, in Form der Gesellschaft sich selbst überleben zu können (ebenso wie Gesellschaftstheorien nicht in einem ihrer Vertreter überleben).


Verwendete Literatur:

Fuchs, Peter (2004): Adressiabilität als Grundbegriff der soziologischen Systemtheorie in: ders. Konturen der Modernität, Bielefeld

Tuesday, February 28, 2006

Die Anstrengung....

Die Indifferenz von Grenzziehungen und "Grenzziehungsbeobachtung" überzeugt mich noch nicht ganz. Aber was soll man da machen. Ein System, das Rot in sich selber findet und es der Umwelt zurechnet, weiß eben nicht, dass es diese Operation ausführt, weil es sonst ins Zweifeln kommen könnte.

Denn:

"Die Anstrengung, das Ich zusammenzuhalten, haftet dem Ich auf allen Stufen an, und stets war die Lockung, es zu verlieren, mit der blinden Entschlossenheit zu seiner Erhaltung gepaart. Der narkotische Rausch, der für die Euphorie, in der das Selbst suspendiert ist, mit todähnlichem Schlaf büßen läßt, ist eine der ältesten gesellschaftlichen Veranstaltungen, die zwischen Selbsterhaltung und -vernichtung vermitteln, ein Versuch des Selbst, sich selber zu überleben. Die Angst, das Selbst zu verlieren und mit dem Selbst die Grenze zwischen sich und anderem Leben aufzuheben, die Scheu vor Tod und Destruktion, ist einem Glücksversprechen verschwistert, von dem in jedem Augenblick die Zivilisation bedroht war. Ihr Weg war der von Gehorsam und Arbeit, über dem Erfüllung immerwährend bloß als Schein, als entmachtete Schönheit leuchtet." [Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung: Begriff der Aufklärung, in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1156 (vgl. GS 3, S. 50-51)].

Das ist natürlich ein Sprung in der Argumentation. Mit cartesianischen Zweifeln hat das natürlich nichts zu tun. Die Betonung liegt auf der Lust an der Selbstvernichtung, genauer gesagt im Versprechen des Rausches, der die Grenze aufhebt: Darum ist es auch so eigenartig, dass sich die Modernen Menschen im Rausch suchen. Das hat die gleiche Qualität wie der Masochismus und sein Spiegelbild, der Sadismus. In beiden geht es um die Lust am Zerstören: die Zerstörung des anderen und die zerstörung am anderen. Die Dialektik darin gelte es für eine Kritik der Luhmannschen Systemtheorie fruchtbar zu machen. Denn die Systeme - seien sie sozial oder psychisch - oszillieren stets zwischen der Anstrengung, sich zusammenzuhalten, und der Lockung sihc zu verlieren: d.h. zwischen Entropie und Redundanz! Systembildung ist ein spezifischer historischer Sonderfall von Differenzierung, der mit Affektkontrolle (ja auch der sozialen Systeme - indem stets an einem Code festgehalten wird, und dem Gelüste, enfach nicht zu kommunizieren oder dies unter einem anderen Code zu tun, abgesagt wird), Arbeit und eines identifizierenden Denkens koinzidiert. Das heißt, das System muss stets eine nicht unbeachtlichen Teil seiner Energie und Ressourcen darauf hin verwenden, dass seine Teilelemente nicht abhauen, arbeitsfaul sind, gar von agnz anderen Sachen sprechen. Luhmann hat das auf einigen Ebenen durchaus gesehen - wenn er z.B. die Verwaltung von der Planung unterscheidet - aber er kann diesen Gedanken nicht seiner Theorie einverleiben. Wahrscheinlich, weil die Systeme zu stark monadologisch gedacht sind (Wen das System die Unterscheidung zieht, bedarf es der Umwelt gar nicht - hier zeigt sich übrigens auch ein Problem, wenn man den Begriff der Autopoiesis auf das Bewusstsein ausdehnt...an eienm Punkt wird es unsoziologisch. Ein System bedarf gar nicht des anderen, weil es sein anderes selbst hervorruft. Dabei werden zumindestens die psychischen Systeme zu allererst einmal durch andere hervorgerufen: Man hat einen Namen bevor man sich denken kann. D.h. die Unterscheidung, die das psychische System von der Unmelt unterscheidet, kommt ihm von außen zu: Daran, nämlich an der starren Umwelt, bildet sich die starre Form des psychischen systems (mit all seinen inneren Dynamiken).

Friday, February 24, 2006

Die Grenze als Keinraum

Die Grenze - ohne Raumanalogie in Sinnsystemen wie Kommunikation oder Bewusstsein - ist die Grenze des Systems, das sie in erster Ordnung zieht, indem es etwas beobachtet. Auch wenn es in zweiter Ordnung sich selbst beobachtet, beobachtet es diese Grenze erster Ordnung. Es unterscheidet dabei nicht Umwelt von Umwelt, sondern beobachtet systemintern irgendetwas, was es der Umwelt zurechnet. Dabei ist dieses etwas größtenteils hausgemacht - Rot ist nicht das Rot in der Umwelt, sondern es die Beobachtung von etwas, was wir als Rot durch unsere Wahrnehmung konstruieren und das wir systemintern an der Umwelt festmachen.
Das System ist Beobachter der Unterscheidung, welche die Operation darstellt, die das System sind. Basierend auf der Def.:"Beobachten ist das Handhaben einer Unterscheidung zur Bezeichnung der einen und nicht der anderen Seite" (Luhmann 2002, S.143), kann man auch des weiteren davon ausgehen, dass das System e t w a s unterscheidet und nicht zwischen Umwelt und Umwelt - allerhöchstens Spezialumwelten aka andere Systeme etc. - orientierungslos blind und überfordert gar nichts unterscheidet.
Die Grenze ist (- völlig einverstanden -) nicht undurchdringlich, aber es dürfte auch klar sein, dass nur Ereignisse, Elemente etc. durchreisen können - also nicht das System selber auf einmal auf der anderen Seite ist. Was du denkst kannst du mir wohl mitteilen und ich kann es "verstehen", aber für dich denken... naja... und Deutschland ist auch nur auf der einen Seite der Grenze und nicht auch noch auf der anderen... (und das ist, polemisch gesagt, auch gut so - sonst wäre nämlich jeder zweite Urlaub .... naja...).
Grenzen sind wohl verschiebbar und das ist auch eine spannende Frage, wie man Systeme sich verändern sieht und wie sie trotzdem ihre Identität differenzieren können, ohne vor Instabilität schlichtweg aufzuhören. Wie können Anschlüsse organisiert werden, um Unwahrscheinliches Wahrscheinlich zu machen? Wieviel Kontingenz ist drin? Wo liegt das perfekte Verhältnis von Entropie und Redundanz? Wie und wo ermöglichen Systeme Grenzgebiete, die zu Spielräumen mit erhöhten Freiheitsgraden werden?

Thursday, February 23, 2006

Die Grenze als Raum

Okay, Polemik beiseite...obwohl ich denke, dass die emotionale Aversion gegen Theorien durchaus von soziologischer Relevanz sind.

Die Grenze ist kein System. Aber: Die Differenz als Bobahtung erster Ordnung kann von dem System selbst nicht erkannt werden. Gerade weil es unterscheidet, weiß es nicht, dass es unterscheidet!. Es unterscheidet. Basta. Deswegen existiert die Grenze als Systemleistung nicht für das unterscheidende System. Wenn Luhmann sagt, dass das System die Differenz von System und Umwelt sei, hat er durchaus recht, aber er sagt nicht: für welches System. Die Grenze ist eine Operation. Daran würde ich unter systemtheoretischen Prämissen ja festhalten. Aber als Grenze, d.h. als markierte Unterscheidung von System und Umwelt ist es als beobachtung nicht verfügbar. Wenn man so will, ist die Differenz ja immer auch bereits Interpretation, und die funktioniert ja immer nach dem Prinzip "Es gibt eine interpretierendes System, für die die Umwelt eine Form annimmt, d.h. es unterscheidet in erster Linie nicht sich von der Umwelt, sondern Umwelt von Umwelt. Es unterscheidet in der Beobachtung rot vom Rest, dass darunter es auch das System fällt, sofern es nicht rot ist, ist aber erst für eine Beobachtung zweiter Ordnung relevant.

Was ich allerdings viel spannender finde, ist die sozialtheoretische Ausdehnung von Grenze. Eine Grenze ist ja immer passierbar und durchlässig. Das macht ja eine Grenze aus. Sie ist überschreitbar (Vielleicht liegt das perpetuum mobile des Systems in seiner grundlegend psychotischen Struktur: ja nicht die Grenze einstürzen lassen, ja nicht mir der Umwelt verschmelzen - Deleuze: Psychosen sind die Angst vor dem Auflösen). Deswegen muss ständig die Grenze neu gezogen werden. Bitte nicht falsch verstehen: Das ist ein typisches Modernes verhalten. Der Moderne Mensch ist bis zu einem gewissen Grad psychotisch. Auch ich, auch Du und eben auch Systeme. Die Forderung, Anschluss zu halten ist nicht erkenntnistheoretisch, sondern normativ-moralisch.

Aber zurück zur Frage des Raumes der Differenz. Wenn das System die Grenze von System und Umwelt ist, stellt sich die Frage, ob die Grenze eine Differenzierung aufweist. Es stellt sich also die Frage nach der Dimension der Grenze. Welche Qualität und Schwere hat eine Grenze? Sind einige leichter auflösbar als andere? Sind Passagen Grenzen? Oder nur Kommunikationsketten? Ist die Auflösung einer Grenze selbst eine Operation, und von wem wird sie geleistet? Wenn es eine Operation des System ist, kann es sich nicht auflösen. Wenn es von einer Metaperspektive beobachtet wird kann die Differenzziehung kein Teil des differenten Systems sein, oder warum sollte die Differenzierung Teil des Systems, Entdifferenzierung aber nicht teil eines Systems sein.



Wednesday, February 22, 2006

Zelle mit Schnittstelle

Gott schied das Licht von der Finsternis und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht


Mit der Differenz zu beginnen, mit der Grenze, ist für diese Diskussion sicher nicht von Nachteil. Zumal es sich bei der Systemtheorie ja erklärtermaßen, um eine an Differenz orientierte Theorie handelt.


Die Grenze ist nicht ein weiteres System, dass zwischen System und Umwelt autark existiert. Die Grenze ist Systemleistung. Mit Luhmann gesprochen: „Das System ist die Differenz zwischen System und Umwelt“ (Luhmann 2002, S.66).

Es ist die Leistung eines Systems, diese Grenze zu erzeugen. Sicher, sie kommt durch Beobachtung zustande, aber zunächst - erster Ordnung – wird sie vom System beobachtet, nämlich in dem dieses das beobachtet, was es beobachtet.
Ein Beobachter zweiter Ordnung – bspw. der Systemtheoretiker – beobachtet dann diese in der Realität empirisch bereits vorhandene Grenze, in dem er beobachtet, wie das System beobachtet. Dabei – und deswegen ist soziologische Systemtheorie darauf angewiesen eine „Theorie der Theorie als Supertheorie“ (Clam 2004, S.309) der Soziologie zu konstruieren, und sie tut dies indem sie sich selbst beobachtet – ist sie selbst Beobachterin erster Ordnung, denn sie beobachtet als Systemtheorie wieder nur das, was sie beobachtet.

Alois Hahn hat in seiner Vorlesung im WS05/06 einen sehr anschaulichen Vergleich gebracht, mit den Farben, welches das menschliche Bewusstsein wahrnimmt. Es beobachtet diese Farben und es kann sie nicht anders beobachtet. Die Farben (rot, blau, knatschpink, eidottergelb etc.) sind das, was es beobachtet und sie sind Realität, weil es sie für das Bewusstsein gibt und es muss mit ihnen, sind sie erst einmal unterschieden und bezeichnet irgendwie umgehen (Beobachtung erster Ordnung). Aber über einige Umwege – bspw. Wissenschaft (optische Physik wahrscheinlich am ehesten) – kann das Bewusstseinssystem sich selbst beim Farbenbeobachten beobachten und diese Analyse kann klar machen, dass es ein System ist, dass die Realität so beobachtet wie es sie beobachtet – andere Systeme würden keine Farben sondern Wellen beobachten. Aber auch diese Beobachtungen sind wieder auch gleichzeitig erster Ordnung – ein blinder Fleck (ßman sieht nicht was man nicht sieht) muss immer mitgedacht werden.

Insofern ist die Grenze zwar vom System aktiv gezogen, aber ganz durchsichtig ist das System sich selbst tatsächlich nie. Andererseits kann/darf diese Nicht-Einsicht das System nicht daran hindern, weiterhin diese Grenze zu ziehen. Im Ersticken von Selbstzweifeln ist auch keine Problemlösung zu erkennen. Die Umwelt, die dem System die Grenze „zuschreibt“, kann dem System aber auch keine andere Grenze ziehen, die nicht auch von partikularer Blindheit begleitet wäre. Dazu kommt noch, dass die Umwelt sowieso keine Systemgrenzen zieht, sondern nur irritiert, stimuliert, zerstört etc.

Auch in „Die Realität der Massenmedien“ schreibt Luhmann: „…die operativ produzierte Grenze des Systems…“ sowie kurz danach „…muss das System zuerst operieren und seine Operationen fortsetzen, […], bevor es die auf diese Weise erzeugte Differenz intern als Unterscheidung und damit als Schema eigener Beobachtungen verwenden kann.“ (Luhmann 2004, S.24).

Die Grenze ist die systemaktiv geschaffene Schnittstelle zwischen System und Umwelt. Mit einer Innen- und einer Außenseite.

Und ob Luhmann Angst hatte oder nicht… ein anderes Mal, vorerst kann man das Problem wohl auch ohne Gefühlsverwirrungsdiskussion angehen.


Literatur:

Clam, Jean (2004): Kontingent, Paradox, Nur-Vollzug, Konstanz

Luhmann, Niklas (2002): Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg

Luhmann, Niklas (2004): Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden

Tuesday, February 21, 2006

Das ausgeschlossene Dritte


Nochmal zur Frage nach der Grenze system umwelt:
Wenn ich im Kommentar gesagt habe, das die Unterscheidung von einem Dritten gezogen würde, das selbst System ist, aber nicht das System, welches sich von der Umwelt trennt. Insofern wäre dann die Unterscheidung teil der Umwelt eines weiteren Systems. Das folgt eigentlich aus der Beobachtung zweiter Ordnung. Dieses kann nur von einem anderen Ort aus geschehen, der nicht direkt das System ist - auch in der Selbstbeobachtung wird das System zu etwas anderem, dass beobachtet, es nimmt einen anderen Zustand an. Das Problem das aus dem Argument der Stabilsierung entsteht, liegt in seiner Tendenz zur Ontologie. Das System kann die Unterscheidung gar nicht realisieren (im Sinne von "erkennen") obwohl es sie zieht. Für ein System ist der akt der Grenzziehung nur vermittelt und niemals direkt zugänglich, d.h. minderstens in dem Sinne, dass das system sich selbst zur Umwelt wird. Damit wäre also die Grenze ebenso der Umwelt zuzuschreiben, bzw. es gehört der Umwelt an.
Vielleicht müsste man die obige Schreibweise gebrauchen.
BTW: Luhmann erwähnt in seinem Massenmedienbuch, dass die Grenze nur unter der Bedingung eines gegebenen"outside" ein Zwitterwesen sei, weder drinnen noch draußen: Das stimmt nicht ganz. Natürlich ist die Grenze ein Zwitterwesen, aber es ist weder drinnen noch draußen, sondern sowohl innen als auch außen! Weiß Gott, warum er davor Angst hat. (meine vermutung wäre, dass er aus der Beschreibungsebene letztlich eine Ontologie macht, die ihm durch ungelöste Paradoxien abhanden kommen könnte.


Monday, February 20, 2006

Nach der Nullzeit

findet das System wieder Anschluss - ob Kneipe, Internet, im Club oder bei Tisch - lassen wir die Thematisierung in Beiträgen zählen, denn was für den einen die Kneipe, ist für den anderen die Stadt, die für manchen auch nur ein größeres Dorf, mit einem netten Lokal sein mag...

[gegen Kybernetik] ist natürlich nur teilweise richtig, denn als Theorie [selbstreferentieller] Systeme wird sich bereits einen Schritt weiter gewähnt... und gegen Kritik ist nichts an sich einzuwenden, denn Kritik findet statt. Sucht sie nur zuweilen Anschlüsse zu erzwingen, wo sie nur scheitern kann ... was sie vielleicht auch will - aber die psychoanalyse von Theorie soll ihr überlassen bleiben.

Nur um noch das noch schnell aufzuklären: Die Grenze zwischen S]U kann man rein logisch als etwas Drittes betrachten. Nimmt man aber das Komplexitätsgefälle zwischen S]U als Interpretationshilfe zur Hand, so wird deutlich, dass die Grenze zur Stabilisierung dieses Gefälles vom System erzeugt und erhalten wird. Sie ist also Systemleistung.