Thursday, March 02, 2006

Zuschreibungen

Psychische Systeme bekommen einen Namen zugeschrieben und den bekommen sie, damit Ereignisse die durch ihre Mitteilungsabsicht Beachtung finden, zugerechnet werden können. Es wird in der Kommunikation nach der dazugehörigen Adresse gesucht. Dabei bekommen Individuen in ihrem Leben ja viele Namen zugeschrieben (z.B. Niklas, Hr. Luhmann, Hr. Prof., Teufelchen, Komplexitätsvirtuose etc.), was auf die Inklusionsangebote von diversen Systemen und auf Möglichkeiten verweist, sich durch unterschiedliche Kommunikationsangebote zu individualisieren und Totalexklusionen aus der Gesamtgesellschaft, aufgrund von Devianz, nicht befürchten zu müssen, aber auch gleichzetig auf die bestehenden Risiken, sich zu verlieren, sich nicht mehr wieder zu finden oder, wahrscheinlich genauso unbefriedigend, gar keine Namen zu bekommen – also in ihrer Differenz nicht erkannt werden (ein Problem mit dem Muslime in Frankreich zu kämpfen haben).

Die Namensgebung durch die Eltern, die Adresszuschreibung an ein Kind – das wahrscheinlich noch nicht denken, aber schon längst differenzieren kann – ist das, wahrscheinlich nie abgelehnte Angebot an das Kind, Selbstbezug und Bewusstsein entwickeln zu können. Dabei ergibt sich in der Abfolge des Anfangs keine reine Erinnerung an die erste Operation, weil das System sich aufgrund seiner Zeitlichkeit erst an einen Anfang erinnert, wenn dieser schon längst passè ist. Hinzu kommt, dass die Vergangenheit stets eine vom Licht der Gegenwart angestrahlte Vergangenheit ist – und sich ändert im Laufe der Zeit.
Die Adressen unter die ein Individuum im Laufe seiner Existenz inkludiert wird und was als fremdreferentieller Vorgang verbucht wird, machen aus dem psychischen System zwangsläufig ein mit Konflikten dieser Adresszuschreibungen konfrontiertes System. Es wird dazu genötigt sich organisieren oder verlieren, sich selbst beobachten oder ausblenden zu müssen.

Die soziologische Systemtheorie ist eine Ordnungstheorie der Unordnung. Sie versucht die Kontingenzen und Entropie-/Redundanzoption [womit aller Ansicht nach nicht das Entropie/Redundanz – Verständnis im vorhergegangenen Text gemeint ist] von beobachtbaren autopoetischen Kommunikationssystemen durch Beschreibung und Analyse zu entdecken. Und dazu gehört auch, psychische Systeme aus ihrer theoretisch gedachten Vollinklusion in eine Gesellschaft herauszulösen und somit ihre, durch frühere soziologische Theorie angestrebte Planbarkeit aufzugeben. Sie sind auf diese Weise der sowieso schon überkomplexen Umwelt von Gesellschaft (also von Kommunikation) zugeordnet und sind selber einer Vielzahl von komplexen Umwelten ausgesetzt. Die erwartete starre Rückkopplung die sich die Kritische Theorie an dieser Stelle denkt, hat sich aufgrund einer Vielzahl unberechenbarer Faktoren (darunter die Kreativität von psychischen Systemen) bislang nicht eingestellt.
Den Individuen gibt das die Chance sich auf vielfältige Art anzupassen, aber es bringt auch das Fehlen der Sicherheit mit sich, in Form der Gesellschaft sich selbst überleben zu können (ebenso wie Gesellschaftstheorien nicht in einem ihrer Vertreter überleben).


Verwendete Literatur:

Fuchs, Peter (2004): Adressiabilität als Grundbegriff der soziologischen Systemtheorie in: ders. Konturen der Modernität, Bielefeld