Tuesday, September 02, 2008

Innovation und Kritik als Störquellen und De-Re-Regulierer

Stabile Kommunikation bedarf der Störung. Diese Störung bedarf sie, um nicht irgendwann „eingependelt“ stillzustehen (diese Art der Stabilisierung wäre ihr Tod), sondern um konvulsiv zu zucken und ihr Spielfeld, welches ihr Rhizom darstellt, mit der Energie der Aktualisierung versorgen zu können (eine Art fluktuierender Stabilisierung) .

Störungen, so die hier vorgebrachte These, können zweierlei sein.

Zum einen kann es sich um die Störungen einer Innovation handeln. Die Innovation zeichnet sich dadurch aus, dass sie strukturelle Varianz ist, welche eine neue Form höherer Emergenz im Rhizom provozieren will. Dabei steht sie gleichzeitig der bisherigen emergenten Form des nun zu transformierenden Phänomens in einer akzeptierend-überholenden Weise gegenüber. Was bisher galt, wird als bislang richtige, ja vielleicht sogar für die eigene Entwicklung fundamentale Realisierung von Relationen gewertet. Solche Ahnen der eigenen Geschichte werden in Ehren gehalten und erinnert, nun aber durch aktuelles, zeitgemäßes und verbessertes verwandelt und somit auch ersetzt. Im Gedächtnis – also in der Kultur der Sache – wird die Vergangenheit als per se zum historischen Kontext passende, also rationales und somit nicht generell abzulehnende s Modell so weit wie möglich einsichtiger Akteure gewertet. [Nicht zu vergessen war das bisherige Netz für die Innovation auch gerade nicht zu engmaschig, sondern es barg genügend chaotischen Dschungel, in dessen verschlungenen Freiheitsgrade sich die fortschreitende Erneuerung ordnen und eigene Wege festtrampeln konnte.]

Eine andere Form der Störung ist die Kritik. Die Kritik selbst ist im ersten Schritt destruktiv und sucht nach Fehlern die sich als Unwahrheiten, ja schlimmstenfalls als Lüge entpuppen, sobald sie durch den Lichtstrahl der Kritik aus dem imaginären Kaiserkleidchen bisheriger konstruktiver Webetechniken geschält worden ist. Die Kritik sucht Unordnung zum Vorschein zu bringen, wo Ordnung vorgetäuscht ist. Sie sucht zu überzeugen, dass das „Rasen betreten und Ballspielen in der Anlage strengsten untersagt“-Schild im Dschungel keine Berechtigung hat, sondern Willkür, schlimmstenfalls „Politik“ ist. Die Kritik kommt als Falsikationspunk oder als Werttheoretiker daher. Sie sind von ablehnend-zurückschreitender Form, denn beide lehnen die Vergangenheit aus der Sicht der Zukunft in der Gegenwart ab , als Irrtum, der korrigiert werden muss. Sie ist aber in einem zweiten Schritt ebenfalls produktiv regulativ, weil sie bestimmt Phänomene als Irrtümer enttarnt, während sie anderen gegenüber blind ist. In diesem Fall ist sie passiv-aktiv. Jedoch muss sie sich die Frage gefallen lassen, woher sie die Zukunft so gut kennt, dass sie bestimmte „Selbsterfüllungen“ ausschließen kann und die Auswirkungen von Schmetterlingsflügelschlägen zu berechnen weiß? Die Kritik steht insofern schnell selbst in der Kritik und bedarf, will sie seriös sein, der Rechtfertigung und Benennung der Spendernamen ihrer Wertaxiome.

Doch die Kritik soll ja mit an Bord sein! Ja, sie soll sogar mit ihren Magneten nach ihrem Willen den Kompass beeinflussen dürfen. Die Rechtfertigung dazu bekommt sie aber nicht aus der Zukunft, sondern mit Blick auf die Vergangenheit, in der sie so manchen Prozess (un)angenehm irritierte und so manchen falschen Zauber enttarnt hat. Dass sie ihn enttarnen konnten heißt jedoch nicht, dass er damit schlichtweg überholt war. Sondern es kann auch bedeuten, dass der Trick verbessert wird – weil es manchmal einfach nur darum geht, Funkeln in den Augen kleiner und großer Kinder zu erzeugen, die dieses Funkeln dann mit in ihre Welt nehmen um dort Dinge besser sehen zu können, die vorher im Schatten des Alltags unbemerkt blieben.