Wednesday, February 22, 2006

Zelle mit Schnittstelle

Gott schied das Licht von der Finsternis und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht


Mit der Differenz zu beginnen, mit der Grenze, ist für diese Diskussion sicher nicht von Nachteil. Zumal es sich bei der Systemtheorie ja erklärtermaßen, um eine an Differenz orientierte Theorie handelt.


Die Grenze ist nicht ein weiteres System, dass zwischen System und Umwelt autark existiert. Die Grenze ist Systemleistung. Mit Luhmann gesprochen: „Das System ist die Differenz zwischen System und Umwelt“ (Luhmann 2002, S.66).

Es ist die Leistung eines Systems, diese Grenze zu erzeugen. Sicher, sie kommt durch Beobachtung zustande, aber zunächst - erster Ordnung – wird sie vom System beobachtet, nämlich in dem dieses das beobachtet, was es beobachtet.
Ein Beobachter zweiter Ordnung – bspw. der Systemtheoretiker – beobachtet dann diese in der Realität empirisch bereits vorhandene Grenze, in dem er beobachtet, wie das System beobachtet. Dabei – und deswegen ist soziologische Systemtheorie darauf angewiesen eine „Theorie der Theorie als Supertheorie“ (Clam 2004, S.309) der Soziologie zu konstruieren, und sie tut dies indem sie sich selbst beobachtet – ist sie selbst Beobachterin erster Ordnung, denn sie beobachtet als Systemtheorie wieder nur das, was sie beobachtet.

Alois Hahn hat in seiner Vorlesung im WS05/06 einen sehr anschaulichen Vergleich gebracht, mit den Farben, welches das menschliche Bewusstsein wahrnimmt. Es beobachtet diese Farben und es kann sie nicht anders beobachtet. Die Farben (rot, blau, knatschpink, eidottergelb etc.) sind das, was es beobachtet und sie sind Realität, weil es sie für das Bewusstsein gibt und es muss mit ihnen, sind sie erst einmal unterschieden und bezeichnet irgendwie umgehen (Beobachtung erster Ordnung). Aber über einige Umwege – bspw. Wissenschaft (optische Physik wahrscheinlich am ehesten) – kann das Bewusstseinssystem sich selbst beim Farbenbeobachten beobachten und diese Analyse kann klar machen, dass es ein System ist, dass die Realität so beobachtet wie es sie beobachtet – andere Systeme würden keine Farben sondern Wellen beobachten. Aber auch diese Beobachtungen sind wieder auch gleichzeitig erster Ordnung – ein blinder Fleck (ßman sieht nicht was man nicht sieht) muss immer mitgedacht werden.

Insofern ist die Grenze zwar vom System aktiv gezogen, aber ganz durchsichtig ist das System sich selbst tatsächlich nie. Andererseits kann/darf diese Nicht-Einsicht das System nicht daran hindern, weiterhin diese Grenze zu ziehen. Im Ersticken von Selbstzweifeln ist auch keine Problemlösung zu erkennen. Die Umwelt, die dem System die Grenze „zuschreibt“, kann dem System aber auch keine andere Grenze ziehen, die nicht auch von partikularer Blindheit begleitet wäre. Dazu kommt noch, dass die Umwelt sowieso keine Systemgrenzen zieht, sondern nur irritiert, stimuliert, zerstört etc.

Auch in „Die Realität der Massenmedien“ schreibt Luhmann: „…die operativ produzierte Grenze des Systems…“ sowie kurz danach „…muss das System zuerst operieren und seine Operationen fortsetzen, […], bevor es die auf diese Weise erzeugte Differenz intern als Unterscheidung und damit als Schema eigener Beobachtungen verwenden kann.“ (Luhmann 2004, S.24).

Die Grenze ist die systemaktiv geschaffene Schnittstelle zwischen System und Umwelt. Mit einer Innen- und einer Außenseite.

Und ob Luhmann Angst hatte oder nicht… ein anderes Mal, vorerst kann man das Problem wohl auch ohne Gefühlsverwirrungsdiskussion angehen.


Literatur:

Clam, Jean (2004): Kontingent, Paradox, Nur-Vollzug, Konstanz

Luhmann, Niklas (2002): Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg

Luhmann, Niklas (2004): Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden

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