Tuesday, February 28, 2006

Die Anstrengung....

Die Indifferenz von Grenzziehungen und "Grenzziehungsbeobachtung" überzeugt mich noch nicht ganz. Aber was soll man da machen. Ein System, das Rot in sich selber findet und es der Umwelt zurechnet, weiß eben nicht, dass es diese Operation ausführt, weil es sonst ins Zweifeln kommen könnte.

Denn:

"Die Anstrengung, das Ich zusammenzuhalten, haftet dem Ich auf allen Stufen an, und stets war die Lockung, es zu verlieren, mit der blinden Entschlossenheit zu seiner Erhaltung gepaart. Der narkotische Rausch, der für die Euphorie, in der das Selbst suspendiert ist, mit todähnlichem Schlaf büßen läßt, ist eine der ältesten gesellschaftlichen Veranstaltungen, die zwischen Selbsterhaltung und -vernichtung vermitteln, ein Versuch des Selbst, sich selber zu überleben. Die Angst, das Selbst zu verlieren und mit dem Selbst die Grenze zwischen sich und anderem Leben aufzuheben, die Scheu vor Tod und Destruktion, ist einem Glücksversprechen verschwistert, von dem in jedem Augenblick die Zivilisation bedroht war. Ihr Weg war der von Gehorsam und Arbeit, über dem Erfüllung immerwährend bloß als Schein, als entmachtete Schönheit leuchtet." [Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung: Begriff der Aufklärung, in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1156 (vgl. GS 3, S. 50-51)].

Das ist natürlich ein Sprung in der Argumentation. Mit cartesianischen Zweifeln hat das natürlich nichts zu tun. Die Betonung liegt auf der Lust an der Selbstvernichtung, genauer gesagt im Versprechen des Rausches, der die Grenze aufhebt: Darum ist es auch so eigenartig, dass sich die Modernen Menschen im Rausch suchen. Das hat die gleiche Qualität wie der Masochismus und sein Spiegelbild, der Sadismus. In beiden geht es um die Lust am Zerstören: die Zerstörung des anderen und die zerstörung am anderen. Die Dialektik darin gelte es für eine Kritik der Luhmannschen Systemtheorie fruchtbar zu machen. Denn die Systeme - seien sie sozial oder psychisch - oszillieren stets zwischen der Anstrengung, sich zusammenzuhalten, und der Lockung sihc zu verlieren: d.h. zwischen Entropie und Redundanz! Systembildung ist ein spezifischer historischer Sonderfall von Differenzierung, der mit Affektkontrolle (ja auch der sozialen Systeme - indem stets an einem Code festgehalten wird, und dem Gelüste, enfach nicht zu kommunizieren oder dies unter einem anderen Code zu tun, abgesagt wird), Arbeit und eines identifizierenden Denkens koinzidiert. Das heißt, das System muss stets eine nicht unbeachtlichen Teil seiner Energie und Ressourcen darauf hin verwenden, dass seine Teilelemente nicht abhauen, arbeitsfaul sind, gar von agnz anderen Sachen sprechen. Luhmann hat das auf einigen Ebenen durchaus gesehen - wenn er z.B. die Verwaltung von der Planung unterscheidet - aber er kann diesen Gedanken nicht seiner Theorie einverleiben. Wahrscheinlich, weil die Systeme zu stark monadologisch gedacht sind (Wen das System die Unterscheidung zieht, bedarf es der Umwelt gar nicht - hier zeigt sich übrigens auch ein Problem, wenn man den Begriff der Autopoiesis auf das Bewusstsein ausdehnt...an eienm Punkt wird es unsoziologisch. Ein System bedarf gar nicht des anderen, weil es sein anderes selbst hervorruft. Dabei werden zumindestens die psychischen Systeme zu allererst einmal durch andere hervorgerufen: Man hat einen Namen bevor man sich denken kann. D.h. die Unterscheidung, die das psychische System von der Unmelt unterscheidet, kommt ihm von außen zu: Daran, nämlich an der starren Umwelt, bildet sich die starre Form des psychischen systems (mit all seinen inneren Dynamiken).

Friday, February 24, 2006

Die Grenze als Keinraum

Die Grenze - ohne Raumanalogie in Sinnsystemen wie Kommunikation oder Bewusstsein - ist die Grenze des Systems, das sie in erster Ordnung zieht, indem es etwas beobachtet. Auch wenn es in zweiter Ordnung sich selbst beobachtet, beobachtet es diese Grenze erster Ordnung. Es unterscheidet dabei nicht Umwelt von Umwelt, sondern beobachtet systemintern irgendetwas, was es der Umwelt zurechnet. Dabei ist dieses etwas größtenteils hausgemacht - Rot ist nicht das Rot in der Umwelt, sondern es die Beobachtung von etwas, was wir als Rot durch unsere Wahrnehmung konstruieren und das wir systemintern an der Umwelt festmachen.
Das System ist Beobachter der Unterscheidung, welche die Operation darstellt, die das System sind. Basierend auf der Def.:"Beobachten ist das Handhaben einer Unterscheidung zur Bezeichnung der einen und nicht der anderen Seite" (Luhmann 2002, S.143), kann man auch des weiteren davon ausgehen, dass das System e t w a s unterscheidet und nicht zwischen Umwelt und Umwelt - allerhöchstens Spezialumwelten aka andere Systeme etc. - orientierungslos blind und überfordert gar nichts unterscheidet.
Die Grenze ist (- völlig einverstanden -) nicht undurchdringlich, aber es dürfte auch klar sein, dass nur Ereignisse, Elemente etc. durchreisen können - also nicht das System selber auf einmal auf der anderen Seite ist. Was du denkst kannst du mir wohl mitteilen und ich kann es "verstehen", aber für dich denken... naja... und Deutschland ist auch nur auf der einen Seite der Grenze und nicht auch noch auf der anderen... (und das ist, polemisch gesagt, auch gut so - sonst wäre nämlich jeder zweite Urlaub .... naja...).
Grenzen sind wohl verschiebbar und das ist auch eine spannende Frage, wie man Systeme sich verändern sieht und wie sie trotzdem ihre Identität differenzieren können, ohne vor Instabilität schlichtweg aufzuhören. Wie können Anschlüsse organisiert werden, um Unwahrscheinliches Wahrscheinlich zu machen? Wieviel Kontingenz ist drin? Wo liegt das perfekte Verhältnis von Entropie und Redundanz? Wie und wo ermöglichen Systeme Grenzgebiete, die zu Spielräumen mit erhöhten Freiheitsgraden werden?

Thursday, February 23, 2006

Die Grenze als Raum

Okay, Polemik beiseite...obwohl ich denke, dass die emotionale Aversion gegen Theorien durchaus von soziologischer Relevanz sind.

Die Grenze ist kein System. Aber: Die Differenz als Bobahtung erster Ordnung kann von dem System selbst nicht erkannt werden. Gerade weil es unterscheidet, weiß es nicht, dass es unterscheidet!. Es unterscheidet. Basta. Deswegen existiert die Grenze als Systemleistung nicht für das unterscheidende System. Wenn Luhmann sagt, dass das System die Differenz von System und Umwelt sei, hat er durchaus recht, aber er sagt nicht: für welches System. Die Grenze ist eine Operation. Daran würde ich unter systemtheoretischen Prämissen ja festhalten. Aber als Grenze, d.h. als markierte Unterscheidung von System und Umwelt ist es als beobachtung nicht verfügbar. Wenn man so will, ist die Differenz ja immer auch bereits Interpretation, und die funktioniert ja immer nach dem Prinzip "Es gibt eine interpretierendes System, für die die Umwelt eine Form annimmt, d.h. es unterscheidet in erster Linie nicht sich von der Umwelt, sondern Umwelt von Umwelt. Es unterscheidet in der Beobachtung rot vom Rest, dass darunter es auch das System fällt, sofern es nicht rot ist, ist aber erst für eine Beobachtung zweiter Ordnung relevant.

Was ich allerdings viel spannender finde, ist die sozialtheoretische Ausdehnung von Grenze. Eine Grenze ist ja immer passierbar und durchlässig. Das macht ja eine Grenze aus. Sie ist überschreitbar (Vielleicht liegt das perpetuum mobile des Systems in seiner grundlegend psychotischen Struktur: ja nicht die Grenze einstürzen lassen, ja nicht mir der Umwelt verschmelzen - Deleuze: Psychosen sind die Angst vor dem Auflösen). Deswegen muss ständig die Grenze neu gezogen werden. Bitte nicht falsch verstehen: Das ist ein typisches Modernes verhalten. Der Moderne Mensch ist bis zu einem gewissen Grad psychotisch. Auch ich, auch Du und eben auch Systeme. Die Forderung, Anschluss zu halten ist nicht erkenntnistheoretisch, sondern normativ-moralisch.

Aber zurück zur Frage des Raumes der Differenz. Wenn das System die Grenze von System und Umwelt ist, stellt sich die Frage, ob die Grenze eine Differenzierung aufweist. Es stellt sich also die Frage nach der Dimension der Grenze. Welche Qualität und Schwere hat eine Grenze? Sind einige leichter auflösbar als andere? Sind Passagen Grenzen? Oder nur Kommunikationsketten? Ist die Auflösung einer Grenze selbst eine Operation, und von wem wird sie geleistet? Wenn es eine Operation des System ist, kann es sich nicht auflösen. Wenn es von einer Metaperspektive beobachtet wird kann die Differenzziehung kein Teil des differenten Systems sein, oder warum sollte die Differenzierung Teil des Systems, Entdifferenzierung aber nicht teil eines Systems sein.



Wednesday, February 22, 2006

Zelle mit Schnittstelle

Gott schied das Licht von der Finsternis und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht


Mit der Differenz zu beginnen, mit der Grenze, ist für diese Diskussion sicher nicht von Nachteil. Zumal es sich bei der Systemtheorie ja erklärtermaßen, um eine an Differenz orientierte Theorie handelt.


Die Grenze ist nicht ein weiteres System, dass zwischen System und Umwelt autark existiert. Die Grenze ist Systemleistung. Mit Luhmann gesprochen: „Das System ist die Differenz zwischen System und Umwelt“ (Luhmann 2002, S.66).

Es ist die Leistung eines Systems, diese Grenze zu erzeugen. Sicher, sie kommt durch Beobachtung zustande, aber zunächst - erster Ordnung – wird sie vom System beobachtet, nämlich in dem dieses das beobachtet, was es beobachtet.
Ein Beobachter zweiter Ordnung – bspw. der Systemtheoretiker – beobachtet dann diese in der Realität empirisch bereits vorhandene Grenze, in dem er beobachtet, wie das System beobachtet. Dabei – und deswegen ist soziologische Systemtheorie darauf angewiesen eine „Theorie der Theorie als Supertheorie“ (Clam 2004, S.309) der Soziologie zu konstruieren, und sie tut dies indem sie sich selbst beobachtet – ist sie selbst Beobachterin erster Ordnung, denn sie beobachtet als Systemtheorie wieder nur das, was sie beobachtet.

Alois Hahn hat in seiner Vorlesung im WS05/06 einen sehr anschaulichen Vergleich gebracht, mit den Farben, welches das menschliche Bewusstsein wahrnimmt. Es beobachtet diese Farben und es kann sie nicht anders beobachtet. Die Farben (rot, blau, knatschpink, eidottergelb etc.) sind das, was es beobachtet und sie sind Realität, weil es sie für das Bewusstsein gibt und es muss mit ihnen, sind sie erst einmal unterschieden und bezeichnet irgendwie umgehen (Beobachtung erster Ordnung). Aber über einige Umwege – bspw. Wissenschaft (optische Physik wahrscheinlich am ehesten) – kann das Bewusstseinssystem sich selbst beim Farbenbeobachten beobachten und diese Analyse kann klar machen, dass es ein System ist, dass die Realität so beobachtet wie es sie beobachtet – andere Systeme würden keine Farben sondern Wellen beobachten. Aber auch diese Beobachtungen sind wieder auch gleichzeitig erster Ordnung – ein blinder Fleck (ßman sieht nicht was man nicht sieht) muss immer mitgedacht werden.

Insofern ist die Grenze zwar vom System aktiv gezogen, aber ganz durchsichtig ist das System sich selbst tatsächlich nie. Andererseits kann/darf diese Nicht-Einsicht das System nicht daran hindern, weiterhin diese Grenze zu ziehen. Im Ersticken von Selbstzweifeln ist auch keine Problemlösung zu erkennen. Die Umwelt, die dem System die Grenze „zuschreibt“, kann dem System aber auch keine andere Grenze ziehen, die nicht auch von partikularer Blindheit begleitet wäre. Dazu kommt noch, dass die Umwelt sowieso keine Systemgrenzen zieht, sondern nur irritiert, stimuliert, zerstört etc.

Auch in „Die Realität der Massenmedien“ schreibt Luhmann: „…die operativ produzierte Grenze des Systems…“ sowie kurz danach „…muss das System zuerst operieren und seine Operationen fortsetzen, […], bevor es die auf diese Weise erzeugte Differenz intern als Unterscheidung und damit als Schema eigener Beobachtungen verwenden kann.“ (Luhmann 2004, S.24).

Die Grenze ist die systemaktiv geschaffene Schnittstelle zwischen System und Umwelt. Mit einer Innen- und einer Außenseite.

Und ob Luhmann Angst hatte oder nicht… ein anderes Mal, vorerst kann man das Problem wohl auch ohne Gefühlsverwirrungsdiskussion angehen.


Literatur:

Clam, Jean (2004): Kontingent, Paradox, Nur-Vollzug, Konstanz

Luhmann, Niklas (2002): Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg

Luhmann, Niklas (2004): Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden

Tuesday, February 21, 2006

Das ausgeschlossene Dritte


Nochmal zur Frage nach der Grenze system umwelt:
Wenn ich im Kommentar gesagt habe, das die Unterscheidung von einem Dritten gezogen würde, das selbst System ist, aber nicht das System, welches sich von der Umwelt trennt. Insofern wäre dann die Unterscheidung teil der Umwelt eines weiteren Systems. Das folgt eigentlich aus der Beobachtung zweiter Ordnung. Dieses kann nur von einem anderen Ort aus geschehen, der nicht direkt das System ist - auch in der Selbstbeobachtung wird das System zu etwas anderem, dass beobachtet, es nimmt einen anderen Zustand an. Das Problem das aus dem Argument der Stabilsierung entsteht, liegt in seiner Tendenz zur Ontologie. Das System kann die Unterscheidung gar nicht realisieren (im Sinne von "erkennen") obwohl es sie zieht. Für ein System ist der akt der Grenzziehung nur vermittelt und niemals direkt zugänglich, d.h. minderstens in dem Sinne, dass das system sich selbst zur Umwelt wird. Damit wäre also die Grenze ebenso der Umwelt zuzuschreiben, bzw. es gehört der Umwelt an.
Vielleicht müsste man die obige Schreibweise gebrauchen.
BTW: Luhmann erwähnt in seinem Massenmedienbuch, dass die Grenze nur unter der Bedingung eines gegebenen"outside" ein Zwitterwesen sei, weder drinnen noch draußen: Das stimmt nicht ganz. Natürlich ist die Grenze ein Zwitterwesen, aber es ist weder drinnen noch draußen, sondern sowohl innen als auch außen! Weiß Gott, warum er davor Angst hat. (meine vermutung wäre, dass er aus der Beschreibungsebene letztlich eine Ontologie macht, die ihm durch ungelöste Paradoxien abhanden kommen könnte.


Monday, February 20, 2006

Nach der Nullzeit

findet das System wieder Anschluss - ob Kneipe, Internet, im Club oder bei Tisch - lassen wir die Thematisierung in Beiträgen zählen, denn was für den einen die Kneipe, ist für den anderen die Stadt, die für manchen auch nur ein größeres Dorf, mit einem netten Lokal sein mag...

[gegen Kybernetik] ist natürlich nur teilweise richtig, denn als Theorie [selbstreferentieller] Systeme wird sich bereits einen Schritt weiter gewähnt... und gegen Kritik ist nichts an sich einzuwenden, denn Kritik findet statt. Sucht sie nur zuweilen Anschlüsse zu erzwingen, wo sie nur scheitern kann ... was sie vielleicht auch will - aber die psychoanalyse von Theorie soll ihr überlassen bleiben.

Nur um noch das noch schnell aufzuklären: Die Grenze zwischen S]U kann man rein logisch als etwas Drittes betrachten. Nimmt man aber das Komplexitätsgefälle zwischen S]U als Interpretationshilfe zur Hand, so wird deutlich, dass die Grenze zur Stabilisierung dieses Gefälles vom System erzeugt und erhalten wird. Sie ist also Systemleistung.